Kolumne Pressschlag: Frei von der Tribüne aus
Beim Confed-Cup in Russland darf dank der „Bild“-Zeitung über alles berichtet werden – nur leider nicht überall. Trotzdem toll!
W ir können aufatmen! „Jetzt doch keine Zensur beim Confed-Cup“, vermeldete die Bild-Zeitung am Dienstag. Mit Boykott des Turniers in Russland hatte die aufrechte Springer-Redaktion schon gedroht, weil in den Akkreditierungsunterlagen den Medienvertretern die Verpflichtung auferlegt wurde, ausschließlich nur über das sportliche Ereignis zu berichten und räumlich beschränkt auch nur in diesem Bereich tätig sein zu dürfen.
Eine Frechheit sondergleichen. Jeder weiß darum, dass deutsche Sportjournalisten im Allgemeinen und Bild-Reporter im Besonderen sich seit Jahren vor allem mit Themen beschäftigt haben, die hinter dem Geschehen auf dem Rasen stehen.
Sie haben sich nicht von den Hochglanzveranstaltungen blenden lassen, sondern mit ihrem unbestechlichen Blick für die gesellschaftspolitischen Dimensionen jede Menge Dreck aufgewirbelt. Mit Sprüchen wie „Wir sitzen doch alle im selben Boot“ war ihnen nicht beizukommen. Und die ihnen angetragenen Duzfreundschaften der Großkopferten haben sie immer angewidert zurückgewiesen.
Jetzt können sie im Juni auch in Russland wieder ihrer unbequemen Arbeit nachgehen. Der Druck der Bild, so analysierte die Bild, habe zu einer Wende geführt. Die Fifa und das russische Organisationskomitee werden mit dem Statement zitiert, akkreditierte Journalisten „können an den Spielorten und in den umliegenden Gebieten ohne jede Einschränkung frei arbeiten“.
Ein einmaliger Vorfall in der Fifa-Geschichte
Prima, jetzt dürfen alle von der Pressetribüne und dem Hotel aus ungehindert über soziale Proteste im ganzen Land berichten.
Irgendwie war ja auch klar, dass die Fifa derlei Einschränkungen nicht dulden würde. Von Unrechtsstaaten, die Journalisten in ihrer Arbeit behindern, lässt sich der Weltfußballverband doch nicht vor den Karren spannen.
Vor der WM 2006 entzog die Fifa zwar der taz kurzzeitig die Spielzugänge, unmittelbar nachdem ein Artikel „Die Ökoschweine von der Fifa“ erschienen war. Die taz attestierte damals dem Weltverband, seine Umweltziele verfehlt zu haben. Aber das war ein einmaliger Vorfall in der Fifa-Geschichte, der sich schon wenig später als Missverständnis herausstellte. Die taz bekam die zugesagten Tickets doch.
Im aktuellen Fall hat die Fifa bestimmt ihre guten Beziehungen zu Vitali Mutko spielen lassen, dem Chef des WM-Organisationskomitees in Russland, der bis vor Kurzem noch als Fifa-Vorstandsmitglied für Transparenz und Offenheit warb.
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