Ex-Radprofi über Nahost-Friedenstour: „Halten Politik und Religion heraus“
Der frühere Radprofi Gerhard Schönbacher will im Mittleren Osten mit einem Rennen Frieden schaffen. Er hofft auf die verbindende Wirkung des Sports.
Ein Radrennen für den Frieden plant der österreichische Rennveranstalter Gerhard Schönbacher. Er hat als Profi mehrfach an der Tour de France teilgenommen und an der einstigen Friedensfahrt durch Polen, die ČSSR und die DDR. Die Middle East Peace Tour soll im März 2018 in der jordanischen Hauptstadt Amman starten und über sieben Etappen durch Jordanien, Ägypten, Israel und Palästina bis nach Jerusalem führen. Aktuell wird ein Testlauf auf der Strecke des Rennens, zu dem Journalisten und Organisatoren eingeladen sind, durchgeführt.
taz: Herr Schönbacher, welches Ziel streben Sie mit der Middle East Peace Tour an?
Gerhard Schönbacher: Ich möchte erreichen, dass durch das Rennen der Gedanke des Friedens transportiert wird. Meines Wissens hat es noch nie ein Sportevent gegeben, das dem Frieden gewidmet war. Wenn man alle Mitglieder von Sportverbänden weltweit zusammenzählt, hätte man etliche hundert Millionen, die dann aufstehen und sich für den Frieden stark machen würden. Das war der Hintergedanke von uns.
Neu ist der Gedanke doch nicht. Es gab ja einst etwa die Friedensfahrt durch die DDR, Polen und die Č SSR …
Ich weiß, ich bin die ja selbst einmal mitgefahren. Aber damals war doch der Frieden schon erreicht in Europa, während er in diese Region erst gebracht werden soll.
63, organisiert Radrennen. Als Profi sorgte er für Schlagzeilen, weil er zweimal in Folge Letzter bei der Tour de France wurde. Ein Sponsor hatte ihm eine Prämie für diese Platzierung zugesagt.
Glauben Sie wirklich, dass ein Sportevent das schaffen kann, was unzählige politische Initiativen nicht bewirken konnten?
Wir hoffen auf einen Schneeballeffekt, dass sich auch andere Sportverbände anschließen. Wenn ich nach Erwartungen gefragt werde, sage ich immer, wenn es in der Menschheitsgeschichte niemanden gegeben hätte, der Visionen gehabt hätte, dann hätten wir wahrscheinlich noch kein Licht und kein Auto und wären auch nicht auf dem Mond gewesen. Meine Vision ist, dass der Sport mit seinen vielen Menschen vielleicht etwas erreicht, was Politik und Religion nicht geglückt ist.
Wie ist die Idee entstanden?
Das war eher ein Zufall. Bei einer Veranstaltung hat mich jemand angesprochen, ob ich nicht ein Radrennen in Israel veranstalten möchte. Mich hat die Idee nicht losgelassen. Nach einigen Tagen habe ich mir eine Landkarte gekauft und dann gesehen, dass es doch schön wäre, gleich ein Etappenrennen durch vier Länder zu machen. Ich habe mir Bücher über den Nahen Osten gekauft, über Geschichte und Politik, habe von Friedensaktivisten gelesen und dann gedacht, dass es doch naheliegend ist, dass man eine Veranstaltung für den Frieden organisiert.
Es ist ja schon schwierig, ein Rennen in einem Land zu organisieren. Wie komplex wird die Angelegenheit, wenn vier Verbände, vier Staaten, vier Innenministerien beteiligt sind, aus Ländern, die nicht immer durch Kooperation miteinander aufgefallen sind?
Ich muss sagen, es macht großen Spaß, mit den Leuten aus Israel, Palästina, Jordanien und Ägypten zusammenzuarbeiten. Sie sind sehr hilfsbereit und offen. Natürlich muss man etwas mehr Geduld haben als bei uns.
Das wäre die kulturelle Komponente der Schwierigkeiten. Wie sieht es auf der politischen Ebene aus?
Wir haben von Anfang an gesagt, es handelt sich um eure Sportveranstaltung. Wir halten Politik und Religion heraus. Es wird ja auch von neutralem Boden aus organisiert, von Österreich, und alle vier Verbände der Teilnehmerländer haben das gleiche Gewicht, niemand wird bevorteilt. Es gibt auch ein großes Interesse in den vier Ländern, nicht mehr nur als Krisenregion wahrgenommen zu werden, sondern andere Geschichten erzählen zu können. Auch die Leute in den Tourismusministerien sehen die Chance, ein anderes Image aufzubauen.
Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie beim Rennen?
Im ersten Jahr gehen wir von 500 Leuten aus aller Welt aus. Wir planen es zumindest für die nächsten fünf Jahre. Es soll für alle offen sein, für Profis und Amateure. Wir richten es auch unter den Regeln der UCI aus.
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