Ostermarsch in Bremerhaven: Marsch gegen die Truppe
Der Ostermarsch in Bremerhaven ist größer und jünger geworden. Hauptthema in diesem Jahr waren Werbeveranstaltungen der Bundeswehr an Schulen.
Viele DemonstrantInnen sind empört und applaudieren laut, als Anna und Lennart vor der BGM-Smidt-Gedächtniskirche ein Werbungsverbot an Schulen bis zum 18. Lebensjahr fordern. Den Mikrofonständer muss die Schülerin mehrmals festhalten, weil der Wind ihn sonst umreißen würde. Manche DemonstrantInnen drehen den Jugendlichen sogar den Rücken zu, um ihre Gesichter vor dem eisigen Aprilsturm zu schützen.
Trotz des miesen Wetters fiel der Bremerhavener Ostermarsch am vergangenen Samstag etwas größer aus als in den Vorjahren. Auffällig war besonders, dass von den knapp 70 TeilnehmerInnen ungefähr ein Drittel unter dreißig Jahre alt war. „Schon an der Vorbereitung haben in diesem Jahr mehr Jugendverbände teilgenommen“, sagt Mitorganisator Günter Matthiessen von der Linkspartei Bremerhaven.
Mobilisiert hatten die meisten Gruppen bereits für eine Demonstration im Januar: Sie wendete sich gegen die Verlegung der US-amerikanischen Truppen an die Ostgrenze der EU. Für dieses strategische Vorhaben der NATO wurden hunderte Panzer und schweres Kriegsgerät aus den USA nach Bremerhaven verschifft und dort in Züge umgeladen. „Ein Säbelrasseln, das den Konflikt zwischen der EU und Russland nur unnötig anheizt“, meint dazu ein Organisator der Initiative „Mut zum Frieden“.
Es gibt aber auch Kritik an der russischen Besetzung der Ukraine. Und die Linksjugend kritisiert den jüngsten Tomahawk-Angriff der USA auf die syrische Militärbasis, von der aus Assads Truppen den Giftgasangriff auf Zivilisten geflogen haben sollen. Den Hauptgrund für die Präsenz der Jugend auf dem Ostermarsch sieht Matthiessen jedoch beim Thema Bundeswehrwerbung an Schulen. Im Mittelpunkt steht hier der Bremerhavener StadtschülerInnenring, zu dem auch Anna und Lennart gehören.
Die beiden hatten im vergangenen Jahr versucht, einen Infostand der Bundeswehr am Lloyd-Gymnasium zu verhindern. Verbieten wollte die Schulleitung die Werbung jedoch nicht. „Daraufhin wollten wir einen Informationsstand gegen die Bundeswehr“, sagt Lennart. Auch das lehnte der Schulleiter ab: „Er bezeichnete unseren Stand als unfreundlichen Akt gegen die Bundeswehr“, sagt Anna. Nach massiven Protesten des StadtschülerInnenrings durften sie schließlich doch ihren Stand aufbauen – jenseits der Berufsinformationsmesse, zwei Stockwerke tiefer, „abseits von allen Schülern. Da ist niemand lang gelaufen“, sagt Anna. Sie und Lennart hätten den Bundeswehrstand nicht einmal besuchen dürfen, das habe die Schulleitung verboten.
Ein Gymnasiallehrer begrüßt ihr Engagement auf dem Ostermarsch. Auch er sieht die Werbung kritisch, auch wenn die Bundeswehr nur über ihre zivilen Ausbildungslehrgänge informiert. „Nur so kommen sie an die Schulen. Die Rekrutierung von Jugendlichen ist verboten“, sagt er. Dennoch müsse über den militärischen Hintergrund des Ausbilders informiert werden, findet der Lehrer, der lieber anonym bleiben will. Er habe mitbekommen, wie an den Bundeswehrständen massiv um eine 15-jährige Schülerin aus dem Kosovo geworben wurde. Nicht nur das Alter stört den Lehrer, sondern auch die gezielte Werbung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und von Geflüchteten. Für sie ist die Bundeswehr häufig der einzige Ausbilder nach der Schule. „Bei zivilen Ausbildungsbetrieben haben sie oft keine Chance“, sagt er.
Auf dem Ostermarsch sind auch vereinzelte Geflüchtete. Einige unterstützt der Bremerhavener „Dialog-Verein für gleiche Rechte e.V.“, eine offene, überwiegend kurdisch-türkische Organisation, die auch Deutschkurse anbietet. Der Verein hat für den Ostermarsch technisches Equipment bereitgestellt und auf der Startkundgebung am Hafen gegen das Türkei-Referendum protestiert.
Ab und zu ziehen auch sowjetische Arbeiterlieder aus dem Lautsprecherwagen herüber, ein Demonstrant hebt die Faust dazu. Doch den Friedensmarsch dominieren Familien und bunte Fahnen – Dogmatismus überwiegt hier nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!