: Merkel: Ich will rein!
Die Union bekräftigt ihren Anspruch auf die Kanzlerschaft. Die SPD denkt an Israel und Gerhard Schröder schweigt
BERLIN taz ■ Angela Merkel ist gestern gefragt worden, ob sie ihren Parteifreunden dankbar sei. Ein Journalist wollte wissen, ob sich die CDU-Chefin über die Geschlossenheit freue, mit der alle wichtigen Unionspolitiker ihren Anspruch auf die Kanzlerschaft unterstützen. Er bekam keine Antwort. Merkel überging die Frage nach ihren Gefühlen und erklärte nur, die Gemeinsamkeit im CDU-Präsidium halte sie für „die Voraussetzung für politisch erfolgreiche Arbeit“. Punkt.
Politisch erfolgreiche Arbeit – das bedeutet für Merkel im Moment, die Führungsrolle der Union in einer großen Koalition durchzusetzen. Die SPD müsse anerkennen, dass der Anspruch auf die Regierungsspitze bei der Union liege, sagte sie deshalb zum x-ten Mal. Merkels Vorteil ist, dass sich keiner ihrer innerparteilichen Rivalen, heiße er Roland Koch, Christian Wulff oder Edmund Stoiber, erlauben kann, diese Zielsetzung zu untergraben. Es würde ihnen als Verrat an der Union insgesamt ausgelegt.
Koch und Wulff müssen sich also hinter Merkel stellen. Bis auf weiteres. In der Verhandlungskommission der Union beim nächsten Sondierungsgespräch mit der SPD am Mittwoch sind neben den CSU-Vertretern Stoiber und Michael Glos nur NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Thüringens Regierungschef Dieter Althaus vertreten – beide eher Merkel-loyal. „Ist doch logisch – einer für den Osten und einer aus dem größten Westbundesland“, wird die Auswahl im Merkel-Lager erklärt. Nachteil: Wulff und Koch sind fein raus, können für einen Misserfolg der Verhandlungen nicht in Mithaftung genommen werden.
Die SPD weist den Führungsanspruch der Union bisher immer noch zurück. Merkel sei bei der Bundestagswahl mit ihrem „Marktradikalismus“ gescheitert, sagte beispielsweise Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. „Das bedeutet, dass Merkel keine Chance hat.“ Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Gernot Erler, als Vertreter des linken Flügels mahnte die Union: „Das Ultimatum muss vom Tisch.“
Aber immer deutlicher ist auch herauszuhören, dass die SPD die große Koalition innerlich akzeptiert. Jetzt streitet sie sogar schon über die Frage, ob es gut oder schlecht wäre, wenn sich Schröder und Merkel die Kanzlerschaft teilten. Diese so genannte israelische Lösung – also ein Wechsel des Kanzlers zur Hälfte der Legislatur – erklärte Erler für „denkbar“. Fraktionsvize Ludwig Stiegler hingegen schloss sie aus. „Es gibt keine Rotation“, sagte er.
Auffällig auch, dass der Kanzler und SPD-Chef Franz Müntefering sich gestern nicht äußerten – sie ließen ihre Unterhändler das Sondierungsgespräch mit der Union vorbereiten.
JENS KÖNIG, LUKAS WALLRAFF Meinung und Diskussion Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen