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Türkische Politiker in DeutschlandBozdağ-Rede in Gaggenau untersagt

Eine Veranstaltung mit dem türkischen Justizminister darf aus Sicherheitsgründen nicht stattfinden. Der hat daraufhin ein Treffen mit Heiko Maas abgesagt.

War schon 2013 in Baden-Württemberg zu Besuch: Bekir Bozdağ Foto: dpa

Berlin/Gaggenau/Heilbronn/Istanbul afp/dpa | Die Stadt Gaggenau hat eine geplante Veranstaltung mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdağ in ihrer Festhalle aus Sicherheitsgründen gestoppt. „Wir gehen davon aus, dass die Situation zu gefährlich werden könnte“, sagte Bürgermeister Michael Pfeiffer (parteilos) am Donnerstag in Gaggenau zur Begründung. Bozdağ wurde am Abend in der Stadt erwartet. Zunächst hatte der SWR berichtet.

Es sei keine politische Entscheidung. Vielmehr sei zu befürchten, dass wegen des umstrittenen Wahlkampfauftritts von Bozdağ mehr Menschen in die Stadt kämen als die Kulturhalle fassen könne. Der Justizminister wollte um Zustimmung für ein Präsidialsystem beim bevorstehenden Referendum in der Türkei werben.

Aus Protest gegen die Verhinderung seines Auftritts in Deutschland hat der türkische Justizminister Bekir Bozdag ein geplantes Treffen mit Bundesjustizminister Heiko Maas abgesagt. Er werde stattdessen direkt in die Türkei zurückkehren, sagte Bozdag am Donnerstag bei einem Besuch in Straßburg. Der türkische Minister übte scharfe Kritik daran, dass sein Auftritt in Gaggenau gestoppt wurde. Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden ignoriert, sagte er. „Was ist das für eine Demokratie?“

Nach Angaben der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu hatte Maas um ein Treffen mit Bozdag gebeten gehabt, das am Donnerstagabend in Karlsruhe stattfinden sollte. Die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara sind derzeit wegen der Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel schwer belastet. Maas wollte mit Bozdag über die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel sprechen, wie ein Ministeriumssprecher der dpa in berlin sagte.

Der Gaggenauer Bürgermeister sagte: Der Beschluss, die Veranstaltung abzusagen, sei nicht mit höheren politischen Ebenen abgesprochen. „Das ist unsere Entscheidung.“ Unklar ist, ob die Veranstalter vor Gericht ziehen, um den Beschluss rückgängig zu machen. Nach den Worten von Pfeiffer wird mindestens eine Hundertschaft der Polizei eingesetzt, um die Halle zu sichern, falls die Veranstaltung doch stattfinde oder den Verkehr wegen erhöhtem Aufkommen umzuleiten.

Kritik von Riexinger und Guido Wolf

Der für Donnerstagabend geplante Auftritt hatte zuvor parteiübergreifend für Kritik gesorgt. Vertreter von Union und Linke wandten sich am Donnerstag gegen den umstrittenen Wahlkampftermin im baden-württembergischen Gaggenau. Linken-Chef Bernd Riexinger forderte die schwarz-grüne Landesregierung in Stuttgart auf, die Veranstaltung zu verhindern.

Riexinger kritisierte, dass nur fünf Tage nach der Rede des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım in Oberhausen das nächste Regierungsmitglied auf Stimmenfang für die „Allmachtsphantasien“ von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gehen wolle. Die baden-württembergische Landesregierung müsse sich dafür einsetzen, „dass die nächste Werbeshow für Erdoğan nicht stattfindet“. Und die Bundesregierung müsse unmissverständlich klar machen, „dass in Deutschland nicht Stimmung für die Einrichtung einer Diktatur gemacht werden darf“.

Die Debatte um die Auftritte hatte sich wegen der Affäre um den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel verschärft, der in Istanbul in Untersuchungshaft genommen wurde. Vor dem Hintergrund kritisierte auch der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) den Auftritt von Bozdağ. „Wenn der türkische Justizminister sich Zeit für einen Termin in Deutschland nimmt, dann wäre es sinnvoller gewesen, statt innertürkischen Wahlkampf zu machen, sich mit uns über Grundrechte und Rechtstaatlichkeit zu unterhalten“, sagte Wolf der Heilbronner Stimme und dem Mannheimer Morgen vom Freitag.

Auch Wirtschaftsminister Zeybekçi will kommen

Am Sonntag plant auch der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi einen Wahlkampfauftritt in Köln. Das geht aus dem Kalender des Koordinationszentrums für die Auslandswähler der türkischen Regierungspartei AKP hervor. Zeybekçi hatte nach der Niederschlagung des Putsches in der Türkei im Juli 2016 für Irritationen gesorgt, als er den Putschisten gedroht hatte: „In 1,5 bis 2 Quadratmeter großen Räumen werden sie wie Kanalratten krepieren.“

Die Stadt Köln hat diesen Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci allerdings dementiert. „Es gibt keinen Mietvertrag für diese Veranstaltung am 5. März und es wird auch keinen geben“, sagte eine Sprecherin am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Im August 2016 sei ein Saal im Bezirksrathaus Köln-Porz von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) für eine Theaterveranstaltung angefragt worden. „Daraufhin haben wir monatelang nichts mehr gehört. Also haben wir das von unserer Agenda gestrichen“, sagte die Sprecherin.

Erst am Mittwoch habe es erneut eine Anfrage gegeben. Bei der sei erstmalig zur Sprache gekommen, dass es sich um einen Informationsabend mit „derart prominenter Besetzung“ handeln soll, so die Sprecherin. Die UETD steht der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP nahe. Die Deutschland- und Europa-Zentrale sitzt in Köln.

Ministerpräsident Binali Yıldırım hatte am Samstag in Oberhausen gesprochen. Die türkischen Regierungsvertreter werben für eine umstrittene Verfassungsreform zur Stärkung der Befugnisse des türkischen Präsidenten Erdogan. Bei dem für den 16. April geplanten Referendum sind auch rund 1,4 Millionen Türken in Deutschland wahlberechtigt.

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20 Kommentare

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  • Ich frage mich ob das jetzt Herrn Yücel dafür nur Tage oder Wochen länger sitzen muss.

    • @Thomas_Ba_Wü:

      Sie meinen, die Türkei wäre plötzlich - sozusagen mit einem Plöpp - demokratisch geworden, wenn der Justizminister und Andere für die Entdemokratisierung der Türkei das Fähnlein hätten schwenken dürfen?

       

      Oder ist Ihnen einfach nur Erpressbarkeit lieber?

      • @Lesebrille:

        Ob die Türkei demokratisch wird/bleibt oder nicht ist mir persönlich vollkommen wurscht.

        Nicht mein Land und noch nicht mal Europa.

        Ich glaube wir haben mehr als genug eigene Probleme, die unsere Energie benötigen.

         

        Ich hab auch nicht die Arroganz der Welt zu erklären wie unsere Ansichten der Weisheit letzter Schluss sind (zumindest wenn sie von den "Progressiven" kommen). Wenn es die Türken machen wollen - bitte ihr Ding.

        Solange dieses Ding da bleibt wo es hingehört - und nach DITIB-Spitzeln, Mordaufrufen an Bundestagsabgeordneten etc. bin ich nicht sicher ob dies noch sichergestellt ist.

         

        In diesem Sinne bin ich sogar dafür sich nicht erpressen zu lassen und würde - meine persönlich Ansicht - auch schauen, dass möglichst viele AKP-ler möglichst schnell dieses Land verlassen. Ja Diskriminierung nach politischer Gesinnung. Oder sagen wir es weniger drastisch - wir sollten AKP-ler so behandeln wie AFD-ler.

         

        Der Preis für diese moralische Haltung - und das ist das einzige was ich sagen will - wird allerdings Herr Yücel bezahlen.

         

        ///

        Genauso wenig wie ein Platzen des Flüchtlingsdeals bedeutet, dass es den Flüchtlingen besser geht. Die Tür ist zu - ohne Türsteher ist nur mehr Chaos.

  • Herzlichen Glückwunsch "Gaggenau".

    Ein wichiger und notwendiger Schritt,

    diese Art von politischer Autokratenwerbung bei uns zu verbieten.

    Abwarten, es ist absehbar, das die Wirtschaft dort im Lande bald am Boden liegen wird, weil u.a. immer weniger Urlauber kommen werden.

    Und dann wird die Politik hier sagen, wo und wie eine weitere Zusammenarbeit auszusehen hat.

    • @P-et-r-a:

      Ihnen ist aber schon bewußt, dass die Absage seitens der Stadt nichts mit den Inhalten der Veranstaltung selbst zu tun hatte, sondern lediglich mit dem Umstand, dass die Verwaltung bei der Anmeldung durch den Veranstalter nicht ausreichend über anwesende Gäste (u.a. der türkische Justizminister und der türkische Botschafter in Paris) informiert wurde und somit absehbar war, dass das Aufgebot an Ordnungskräften nicht ausreichen würde, bei dem vermuteten Andrang die Sicherheit aller zu gewährleisten?

      • @cursed with a brain:

        "Gut gebrüllt".

        Auch das wäre sicherlich, wenn denn gewollt, heilbar gewesen.

        War es aber nicht und das ist auch richtig so, wie es gekommen ist.

        Ich bin gegen Wahlwerbung in D. für eine despotische Politik im Ausland.

  • Wenn Le Pen, Höcke oder Frauke Petry aufgetreten wären, dann wette ich, wäre das kein Problem geworden.

    • @Nico Frank:

      Wenn der Veranstalter diese bei der Anmeldung der Veranstaltung nicht erwähnt und dadurch kein entsprechendes Sicherheitskonzept durch die kommunale Ordnungs- und sicherheitsbehörden erstellt werden kann, dann verlieren Sie Ihre Wette.

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Ein Justizminister fragt „Was ist das für eine Demokratie?“

     

    Eine, die im Gegensatz zur Türkei Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit kennt, und auf die Freiheit zur Meinung und Versammlung pfeift, wenn diese das Ziel verfolgt, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit abzuschaffen.

     

    Kennt der Justizminister etwa eine solche Demokratie noch nicht?

  • So ein Quark kommt raus wenn die eigene Regierung quasi die Handlungsebene vollständig verlassen hat.

     

    Von Rechtswegen hätte umser Regierungsdornröschen längst so sehr den Marsch blasen müssen, daß niemand mehr freiwillig auf die Idee gekommen wäre, in D Wahlkampf machen zu wollen.

     

    Von Schulz voll der Gnaden hört man sogar noch weniger ... Hype am Arsch!!!

    • @Nachtvogel:

      Anfang der Woche, als Kanzlerin Merkel noch um ein "faires Verfahren" für Yücel bat, forderte Martin Schulz bereits und als einer der ersten deutschen Politiker seine sofortige Freilassung "genauso wie all die anderen mit fadenscheinigen Begründungen festgenommenen Journalisten".

       

      Ok, er hat nicht die sofortige Bombardierung Ankaras und die umgehende Deportation aller in Deutschland lebenden türkischstämmigen Mitbürger in grenznahe "Lager" gefordert.

       

      Für Sie also wahrscheinlich "zu wenig".

  • „Was ist das für eine Demokratie?“

     

    Eine, in der Leute wie Sie, Herr Bozdag, nicht gleich als "Terrorist" verleumdet und ohne rechtsstaatliches Verfahren weggesperrt werden, nur weil sie gerade nicht regierungskonforme Ansichten vertreten.

     

    Sie, Herr Bozdag, sind doch weit weniger ein "Demokrat", als jeder einzelne jener Journalisten, welche in der Türkei durch das schmierige Regime ihrer Freiheit beraubt wurden.

     

    Worüber regen Sie sich eigentlich auf? Sie sind doch einer der letzten, der hier etwas zu kritisieren hätte.

  • Vielleicht sollte sich der türkische Justizminister erstmal um die Demokratie in seinem Land kümmern, bevor er die in einem anderen Land bemäkelt...........

    • @Georg Dallmann:

      So sehe ich das auch.

      Keinesfalls sollte D dem Despoten und seinen Abnickern hier

      eine Wahlwerbeplattform für einen weiteren Schritt zur Alleinherrschaft bieten.

  • Angie & C hristliche Werte verteidigen?

     

    Gewiß. - "…Zeybekçi hatte nach der Niederschlagung des Putsches in der Türkei im Juli 2016 für Irritationen gesorgt, als er den Putschisten gedroht hatte: „In 1,5 bis 2 Quadratmeter großen Räumen werden sie wie Kanalratten krepieren.“

     

    Da wären klare Worte nötig.

    Wenn ich mir aber - es regnet &/oder

    Die Glocken läuten eh!

    Die Wiedertäuferkäfige an St. Alberti

    In Münster so betrachte.

    Die sind deutlich was kleiner - wa!

    Fläche wie Kubik!

    kurz - Den inhumanen - menschenfeindlichen Mantel der Alleinseeligmachenden schwenken

    Schwarz wie MohammedGrün

    Bis heute ähnlich gern - gell!

  • Zu viel Andrang.

    Ist das die Methode gegen Erdogans Besuch?

    • 3G
      36855 (Profil gelöscht)
      @Land of plenty:

      Anscheinend ja!

      Das ist nicht mehr verständlich!

      Unverständlich ist auch, dass es hier in Deutschland soviele Türken gibt, die mit der Diktatur und dem Diktator liebäugeln und dies gutheissen.

      Auch hier wären klare Worte dringend erforderlich!

      • @36855 (Profil gelöscht):

        Ob die im GG verbriefte "Religionsfreiheit", die von vielen andersdenkenden und handelnden

        für politische, etc. Zwecke missbraucht wird, noch in der heutige Zeit seine volle Berechtigung hat, mag dahin gestellt sein.

  • Was macht denn unsere Gott-Kanzlerin so gerade?

    Regierungsfasten?

    Die Christen-Union ist zu feige, christliche Werte zu verteidigen.

    Upps - Yücel ist ja nur Türke. Also weitermachen.

  • Der hohe Besucherandrang resultiert aus der hohen Anzahl von türkischen Faschisten in Deutschland. Anstatt Erdogans Vertreter anzubellen, sollten deutsche Politiker besser mal die lieben "Deutsch"-Türken adressieren und ihnen mitteilen, daß sie hier im falschen Land leben, wenn sie einen Führer suchen.

     

    p.s:

    Besonders ärgerlich finde ich das Schweigen/Nichtstun der SPD. Ich werte das als stillschweigende Zustimmung zum türkischen Faschismus.