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Deutschland und die TürkeiDeniz Yücel ohne deutsche Hilfe

Die Bundesregierung fordert den konsularischen Zugang zu Deniz Yücel und seine Freilassung. Die Türkei kündigt weitere Auftritte türkischer Politiker an.

Deniz Yücel bei einer Recherche an der syrischen Grenze Foto: dpa

Berlin taz | Die Bundesregierung setze sich weiterhin mit Nachdruck dafür ein, dass der in der Türkei inhaftierte Journalist Deniz Yücel wieder in Freiheit kommt. Das versicherte am Dienstag Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. „Wir fordern ganz klar seine Freilassung“, sagte Seibert. Hoffnungen auf eine baldige Haftentlassung konnte er jedoch nicht machen.

Laut Angaben des Sprechers des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, ist es der deutschen Botschaft bislang noch nicht einmal gelungen, direkten Kontakt zu dem Welt-Korrespondenten und früheren taz-Redakteur aufzunehmen. Die Zusage eines konsularischen Zugangs, die der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım persönlich Bundeskanzlerin Angela Merkel gegeben habe, sei immer noch nicht eingelöst worden. „Wir haben einige Mühe, diese Zusage in die Wirklichkeit umgesetzt zu bekommen“, sagte Schäfer.

Warum bisher kein deutscher Konsularbeamter Yücel im Gefängnis habe besuchen können, sei unklar. „Warum das hakt und die Türken mit einer Umsetzung dieser Zusage zögern, entzieht sich total unserer Kenntnis und macht uns auch zunehmend ärgerlich“, so Schäfer.

Yücel sitzt seit Ende Februar wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda und Volksverhetzung in Untersuchungshaft. Zuvor war er bereits fast zwei Wochen in Polizeigewahrsam. Derzeit befindet sich der 43-Jährige, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, im westlich von Istanbul gelegenen Gefängnis Silivri in Einzelhaft.

Im Streit mit der Türkei über die Wahlkampfauftritte türkischer Minister bekräftigte Regierungssprecher Seibert die Haltung der Bundesregierung, kein generelles Verbot aussprechen zu wollen. Wenn Deutschland bei anderen Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit kritisiere, müssten diese Werte auch im eigenen Land ausgehalten werden.

Laut Außenamtssprecher Schäfer hat die türkische Regierung in der vergangenen Woche eine Liste mit anstehenden Besuchen türkischer PolitikerInnen in Deutschland übermittelt. Die Anzahl bezifferte er mir „zwei Dutzend plus“. Allerdings seien auf dieser Liste keine weiteren Auftritte von MinisterInnen oder gar von Präsident Erdoğan verzeichnet.

Eindringlich forderte die deutsche Regierung die Türkei außerdem auf, Nazi-Vergleiche zu unterlassen. Solche Äußerungen führten „völlig in die Irre und verharmlosen das Leid“, sagte Kanzlerin Merkel in München. „Gerade mit Blick auf die Niederlande, die so gelitten haben unter dem Nationalsozialismus, ist das völlig inakzeptabel.“ Deshalb hätte das Land ihre „volle Unterstützung und Solidarität“.

Wir fordern ganz klar seine Freilassung

Steffen Seibert

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bezeichnete die Situation als „dramatisch“. Er halte es „vom Grundsatz her für gefährlich“, dass die Türkei internationale Beziehungen zum Gegenstand von Wahlkampagnen mache, sagte er in Berlin. Dass die AKP-Regierung mit einer „verbalen Aufrüstung hin zu Nazi-Vergleichen“ operiere, weise er „mit aller Entschiedenheit zurück“.

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6 Kommentare

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  • Die Sprachregelungen zwischen Berlin und Ankara, angesichts der wie bestellt und zu dunklem Zwecke gelieferten Krawall Szenarien durch türkische regierungspolitiker in der EU, klingen auf dem Rücken des inhaftierten Deniz Yücel wie einvernehmliche Manöverkritik unter Mitwissern, aber nicht wie angemessene Distanzerung Berlins. Warum hat denn die Bundesregierung über die deutsche Botschaft, angesichts der Gefahrenlage in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch am 15. Juli 2016, dem deutschen Staatsbürger Yücel mit Doppelpass nach einem Monat insgeheimem Aufenthalt in der deutschen Botschaft wg.rechtlich unbegründeter Fahndung nach ihm, nichts anderes geraten, als sich türkischen Behörden zu stellen? https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/wechselt-erdogan-pferde-zu-grauen-woelfen

  • Warum wohl liegen Erdogan die Nazivergleiche so nahe? Hat er sich vielleicht gar nicht für die Schreckensherrschaft und ihre Opfer und Täter interessiert? Warum liegt mir nur die Vermutung so nahe, dass er sich möglicherweise mehr für die Nazizeit vor dem Holocaust, also die Vorbereitung und die durchgeführte Machtergreifung, interessiert hat, anstatt für deren Folgen?

     

    Man kann ihm nur empfehlen, schleunigst diese Wissenslücke zu schließen und anschließend aufzuhören, mit dem unsagbaren Leid der Opfer zu spielen. Jeder seiner Vergleiche ist ein Pfeil in ihr Herz.

    • @noevil:

      Ein anständiger Mensch käme nie auf die Idee, dies derart zu missbrauchen und für sich zu instrumentalisieren. Ich hatte immer gehofft, die Notwendigkeit für Aktivitäten einer "Weissen Rose" vor Ort Vergangenheit wären. Mir scheint auch hier, Geschichte wiederholt sich.

  • Auch wenn es Konzentration erfordert:

    ich schlage vor, erst mal immer nur von Erdogan zu reden, nicht von "Die Türkei"

    auch wenn er viele Fans hat.

    Das sollte schon mal etwas an ethnischer Aufwiegelung rausnehmen.

    Es geht um Demokratie, Freiheit, auch individuelle

    nicht um Deutsche gegen Türken.

    bitte.

  • Meine lieben deutschen Politiker,

    macht euch doch nicht lächerlich. Ihr könnt mit Autokraten nicht vernünftig reden.

    Die wollen hier auftreten? Fein, wir wollen Deniz zurück. Quid pro quo.

  • Die Türkei gehört zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalisten weltweit. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 wurden weit über 100 Journalisten verhaftet, rund 150 Medien geschlossen und mehr als 700 Presseausweise annulliert. Kritische Journalisten stehen unter Generalverdacht. Die wenigen noch verbliebenen unabhängigen Medien arbeiten in ständiger Angst. Wiederholt wurde ausländischen Journalisten die Akkreditierung verweigert oder die Einreise verwehrt. Daneben ersticken die politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen vieler wichtiger Medienbesitzer eine kritische Berichterstattung im Keim.

    https://www.reporter-ohne-grenzen.de/t%C3%BCrkei/