„Tatort“ aus Luzern: Diese Kriege in den Köpfen
Der tschetschenische Krieg kommt nach Luzern: Eine Selbstmordattentäterin, die Rache ihrer Tochter und ein Fenstersturz ergeben einen klugen Krimi.
Es ist noch nicht lange her, da war mit „dem Terror“ auf der Welt nicht zwangsläufig der islamistische gemeint. Aber die öffentliche Aufmerksamkeit ist eben sprunghafter als jedes ADHS-Kind. So vergisst man schnell und erinnert sich erst, wenn dann doch irgendwo wieder ein „Kriegssplitter“ aus vergangenen Zeiten rumliegt und man voll reinlatscht.
So jedenfalls ergeht es dem Luzerner Ermittlerduo Flückiger (Stefan Gubser) und Ritschard (Delia Mayer). In ihrem Fall ist der Splitter zerdeppertes Porzellan aus den Tschetschenienkriegen. Man erinnert sich kurz: 1994 marschierten die Russen zum ersten Mal in die unabhängige Kaukasusrepublik ein, zermürbten sich allerdings im Guerillakrieg mit den Separatisten. 1999 kamen die Russen zum zweiten Mal, dieses Mal blieben sie. 2009 endete der Krieg offiziell – die Anschläge von tschetschenischen Selbstmordattentätern in Russland gingen jedoch weiter.
Luzern-„Tatort“: „Kriegssplitter“; So., 20.15 Uhr, ARD
Und deshalb, weil man Kriege leichter beenden kann, als sie in den Köpfen der Opfer vergessen zu machen, schlägt sich die junge Tschetschenin Nura Achmadova (Yelena Tronina) per Anhalter bis nach Luzern durch. Sie ist auf der Suche nach ihrem Onkel Ramzan Khaskhanov (Jevgenij Sitochin), um Rache zu nehmen für ihre Mutter. Die sprengte sich als Selbstmordattentäterin in die Luft – getrieben vom Onkel, wie sie glaubt. Der wird allerdings auch bereits vom russischen Geheimdienst gesucht, und ein hartnäckiger Journalist ist ebenfalls hinter Khaskhanov her.
Dieser Journalist segelt alsbald in hohem Bogen aus dem Fenster. Letztendlich jagt jeder seinen Schuldigen: die Kommissare den Fensterschubser, Nura Achmadova den Mörder ihrer Mutter und alle den ominösen Khaskhanov. Und dass dabei noch mehr Porzellan zerschlagen wird, liegt nur an diesem verdammten Krieg in den Köpfen. Ein kluger Krimi. Gucken!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!