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Staatsrechtler über Parteienfinanzierung„Auf Parteiverbote beschränken“

Von neuen Sanktionsmöglichkeiten gegen die NPD hält Christoph Möllers wenig. Jede zugelassene Partei müsse genau dieselben Rechte haben.

Stieg für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern aufs Dach: NPD-Kandidat Udo Pastörs Foto: reuters
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Herr Möllers, wenn verfassungswidrige Parteien zu schwach sind, um ihre Ziele durchzusetzen, können sie nicht verboten werden, so Karlsruhe jüngst im NPD-Urteil. Der Bundesrat will nun das Grundgesetz ändern, damit solchen Parteien wenigstens die staatliche Finanzierung gestrichen werden kann. Was halten Sie davon?

Christoph Möllers: Es spricht mehr dafür, sich auf Parteiverbote zu beschränken: Entweder eine Partei wird verboten, dann ist sie raus aus dem politischen Wettbewerb. Oder sie ist nicht verboten, dann gelten für sie die gleichen Regeln wie für die anderen Parteien auch.

Sie sind also gegen den Entzug von Staatszuschüssen?

Ich halte das nicht für klug. Derzeit glauben ja eh viele, dass es in unserem politischen System nicht mit rechten Dingen zugeht. Sie werden sich natürlich bestätigt sehen, wenn es jetzt unter den Parteien ein Zweiklassenrecht gibt, bei dem die ­einen Geld vom Staat bekommen und die anderen ausgeschlossen werden. Das wirft auch einen Schatten auf die Parteien, die dabei quasi bevorzugt werden.

Karlsruhe hat den Entzug der Staatsfinanzierung aber doch angeregt …

Das halte ich für ein Missverständnis. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat nur klargestellt, dass nach derzeitiger Rechtslage die NPD vom Staat nicht benachteiligt werden darf – obwohl das Gericht ihr verfassungswidrige Ziele attestiert hat. Das war eine Erläuterung des Urteils, keine Anregung zur Verfassungsänderung.

Im Interview: Christoph Möllers

48, studierte Jura, Philosophie und Komparatistik. Er ist Professor für Öffentliches Recht an der Berliner Humboldt-Universität. Im NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vertrat er den Verbotsantrag des Bundesrats.

Nehmen wir an, das Grundgesetz wird im Sinne des Bundesrats geändert. Wer soll dann über den Ausschluss von der Staatsfinanzierung entscheiden? Niedersachsen schlägt vor, dass der Bundestagspräsident zuständig sein soll. Ist er die richtige Instanz?

Ich glaube nicht. Dazu ist er zu nahe am politischen Geschäft, auch wenn es nachfolgend noch eine gerichtliche Überprüfung gäbe.

Wer sollte stattdessen entscheiden?

Das Bundesverfassungsgericht. Wie das Parteiverbot sollte auch der Ausschluss aus der Parteifinanzierung den Karlsruher Richtern vorbehalten bleiben. Auch diese Entscheidung kann für eine Partei von existenzieller Bedeutung sein.

Der Gesetzentwurf aus Niedersachsen sieht vor, dass eine Partei, die von der Staatsfinanzierung ausgeschlossen wurde, dann auch keine steuerbe­günstigten Spenden mehr bekommen kann. Ist das konsequent?

Nein. Hier geht es ja nicht mehr um staatliches Geld, sondern um eine Ungleichbehandlung von privaten Spendern. Wer der CDU oder der SPD Geld gibt, wird besser behandelt als ein NPD-Spender. Auch für diese Ungleichbehandlung müsste im Grundgesetz erst einmal eine Grundlage geschaffen werden.

Das Saarland schlug im Bundesrat auch Änderungen am Wahlrecht vor. Verfassungswidrige Parteien, die nicht verboten sind, könnten von der Zuteilung von Fernseh- und Hörfunk-Werbezeiten ausgeschlossen werden. Halten Sie auch das für problematisch?

Das halte ich für einen sehr problematischen Vorschlag. Denn für Wahlen verlangt das Grundgesetz eine besonders strenge Gleichbehandlung der Parteien. Wenn nur noch ein Teil der Parteien Zugang zu kostenloser Rundfunkwerbung hat, dann wäre das ein massiver Eingriff in das Demokratieprinzip. Und die Demokratie ist in der „Ewigkeitsklausel“ des Grundgesetzes auch vor Verfassungsänderungen geschützt.

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10 Kommentare

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  • Ich verstehe die Entscheidung der Karlsruher Richter nicht. Ja die NPD ist verfassungsfeindlich, aber sie wird nicht verboten weil sie zu klein ist.

    In den 1920er Jahren gab es in der Weihmarer Republik auch ein paar verfassungsfeindliche Spinner...

    Später war einer dieser Spinner dann Führer und Reichskanzler...

    • @derSchreiber:

      Das ist sicher zu einem guten Teil der mittlerweile recht großen Praxisferne der Verfassungsrichter geschuldet. Müssten die noch Tag für Tag die hanebüchenen NPD-Provokationen in einem Verwaltungsgericht bearbeiten, wäre ihnen wahrscheinlich auch längst zu Bewußtsein gekommen, dass es sich bei der NPD mitnichten um ein kleines, zartes, harmloses und schützenswürdiges Pflänzchen in der Parteienlandschaft handelt.

  • Christoph Möller ist aus anderen Gründen nicht meine

    Kragenweite (GroßKotz - Datenspeicherung/BKA etc. )

    Aber hier hat er -

    Wiewohl eher Staatsrechtler - tuto completto recht.

    Ich würde allerdings nicht immer schwammig

    Auf Unverbindliches wie - klug etc - ausweichen.

    Gleichheitssatz des Grundgesetzes - & ab dafür.

    Karlsruhe - Wird da sicherlich auch keinen Zweifel lassen.

    Wie gelernte Verfassungsrechtler wie Martin Morlok et al.

  • "Die Bundesverfassungsrichter hatten bei ihrer Entscheidung im Januar angedeutet, dass die NPD von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden könnte." (taz)

     

    Nach Überfliegen der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum NPD-Verbot konnte ich eine diesbezügliche Passage nirgendwo finden. Gleichwohl fühlt sich der Bundesrat ja jetzt durch das Verfassungsgericht zu einer derartigen Gesetzesinitiative ermutigt.

    Was konkret hat denn nun das Bundesverfassungsgericht verlauten lassen, das diesem - meiner Meinung nach wenig erfolgversprechenden - Vorstoß des Bundesrats zugrunde liegen soll?

    • @Rainer B.:

      schauen Sie mal im Urteil in Randnummer 625. Mehr als eine Andeutung ist das aber wirklich nicht.

      • @InstantMessage:

        Herzlichen Dank!

        Das BVerfG bezieht sich im vorhergehenden Absatz (Randnummer 624) auf eine EGMR-Entscheidung zum DTP-Verbot. Da geht es um türkisches Recht, in dem ja die Möglichkeit gegeben ist, statt eines Parteiverbots die Kürzung der staatlichen Zahlungen anzuordnen. Randnummer 625 stellt allerdings unmissverständlich klar, dass Derartiges nach der geltenden Verfassungslage in Deutschland ausgeschlossen ist.

  • 100% Zustimmung. Jede zugelassene Partei hat gleich behandelt zu werden, selbst die Obervollpfosten von der Partei der Kackbraunen.

     

    Was käme denn dann als nächstes? Sperrt dann mal eine Reichs- äh Bundeskanzlerin Petry (Gott bewahre!) der Linken die Parteienfinanzierung weil diese ja irgendwie gefährlich sei?

     

    Wehret den Anfängen!!!

  • Der Mann hat in allen Punkten recht ! Wenn wir damit anfangen, dass die Mehrheit der Parteien sich der lästigen Konkurrenz durch den Entzug des Geldes entledigen kann, dann ist die repräsentative Demokratie am Ende. Was heute NPD ist kann Morgen schon die (in Teilen) verfassungsfeindliche LINKE sein. Also, Finger weg ! Die Demokratie kann und muss es aushalten.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Fred Erik:

      Stimme großenteils zu. Vor allem würde durch das Abdrehen des Geldhahns auch das weit verbreitete Opfergefühl der Rechten gestärkt.

      Nicht zustimmen möchte ich der Annahme, dass die Linke (in Teilen) verfassungsfeindlich sei.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Doch das ist Sie, jedenfalls in Teilen ! Auch, wenn es Ihnen nicht gefallen mag ! Viele machen es sich hier viel zu einfach indem sie sagen, dass sich eine verfassungsfeindliche Haltung nur im ganz rechten Spektrum abspielen kann. Wer - wie einige Ex-SED-Kader - wieder eine Art DDR-light einführen möchte ist eben auch verfassungsfeindlich. Zum Thema: Linke - Beobachtung durch den Verfassungsschutz: https://de.wikipedia.org/wiki/Beobachtung_der_Partei_Die_Linke_durch_den_Verfassungsschutz