Gabriele Lesser über Merkels Besuch in Warschau: Polens EU-Scheinreformpläne
Polen will helfen, die EU aus der Krise zu führen. Das ist im Prinzip eine gute Nachricht. Je mehr Politiker in den Mitgliedsländern sich Gedanken darüber machen, wie die EU wieder zu einem großen, gemeinsamen Projekt aller Europäer werden kann, desto besser die Chancen, es tatsächlich zu schaffen.
Am Dienstag versuchten polnische Spitzenpolitiker, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von ihren EU-Reformplänen zu überzeugen. Doch im Grunde genommen wollen die Politiker der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) lediglich einen Rückbau der EU durchsetzen. Alles soll auf den Prüfstand. Der Vertrag von Lissabon soll neu verhandelt werden, die Rolle des Parlaments geschwächt, EU-Institutionen sollen entmachtet, Reformen rückgängig gemacht werden. Warschau strebt ein Europa der Nationalstaaten an.
Noch 2015 hatte Polens neuer Außenminister Waszczykowski Großbritannien zum neuen „strategischen Partner Polens in der EU“ gekürt – anstelle von Deutschland und Frankreich. Dafür war und ist Polen bereit, sogar das Subsidiaritätsprinzip in der EU zu opfern – bis auf einen Punkt: Die Milliarden, die Polen als größter Nettoempfänger seit Jahren aus der EU-Kasse erhält, sollen weiterfließen.
Statt nun aber Reformvorschläge zu machen, die die Sorgen der Menschen in den EU-Nettozahlerländern Frankreich, den Niederlanden und auch Deutschland berücksichtigen, brechen die PiS-Politiker nicht nur im eigenen Land das Rechtsstaatsprinzip, sondern auch das von der Vorgängerregierung Polens mit Brüssel ausgehandelte Abkommen zur Übernahme von 7.000 Flüchtlingen.
Offensichtlich gehen sie davon aus, dass dies von den anderen EU-Mitgliedern als vorweggenommene „Reformen“ hingenommen wird. Doch sobald jedes EU-Mitglied nach eigenem Gutdünken entscheiden kann, wann Verträge zum eigenen Nutzen gebrochen werden können, ist das das Ende der EU. Da erübrigt sich dann jede Reform.
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