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Press-SchlagTuchel ist besser als Klopp

Kolumne
von Markus Völker

Die Dortmunder Fans vermissen Jürgen Klopp. Mit Thomas Tuchel tun sie sich schwer. An die Fakten halten sie sich in ihrer Bewertung nicht.

Unterschiedlich charismatische Grinsebacken: Klopp (l.) und Tuchel Foto: dpa

K einen anderen Sport wollen Politiker so sehr vereinnahmen wie den Fußball. Das liegt auch an der sehr speziellen Emotionalität des Ballsports. „Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl“, sagte einst Andi Möller und verwies auf das besondere Potenzial dieser überaus suprematischen Sportart. Das Gefühlige ist in der Politik als alternativer Fakt, als linker und rechter Populismus, angekommen. Was schert mich die Empirie, wenn doch nur wahr ist, was ich fühle.

Dem Zeitgeist folgend hat der Dortmunder Trainer Thomas Tuchel einen Satz von beißender Aktualität ausgesprochen: Der 1:0-Sieg über die Leipziger Rasenballer sei eigentlich ein 4:0-Sieg, also gefühlt. Tuchel wollte damit sagen: Gemessen an den vergebenen Chancen hätte das Ergebnis eigentlich Viernull lauten müssen. Was der schmale Coach mit den gelben Socken und dem verbissenen Jubel verschweigt: Hätte der Linienrichter einen schlechten Tag gehabt, wäre Leipzig mit einem Punkt nach Hause gefahren. Für Leipzig war es somit ein gefühltes Unentschieden.

Tuchel ist ein Mensch, der es sich bisweilen selbst schwer macht. Das liegt nicht an seiner unbestrittenen Fachkenntnis, auch nicht an seiner tadellosen Arbeitsauffassung, sondern daran, dass er den Urteilen der Öffentlichkeit – oft zu Recht – nicht traut und auf so manche Ungerechtigkeit und Fehldeutung trotzig reagiert. Zu diesem persönlichen Handicap kommt, dass es ihm die Umstände bei den Schwarz-Gelben verdammt schwer machen.

Er musste als Trainertalent einen (gefühlten) Großklub übernehmen und das auch noch vom messianisch verehrten Jürgen Klopp, der in seinen leuchtstarken Gefährten so ziemlich jeden Anhalter mit Fußballaffinität emotional „mitnehmen“ kann. Tuchel donnert an den Bedürfnissen des gemeinen Fans schon mal dabei, was bei den Verantwortlichen in der Klubführung zu Phantomschmerzen führt, die nur mit einem Klopp-Video aus der Vergangenheit kuriert werden können.

„Uninspirierter Kackfußball“

Die Vorbehalte gegen Tuchel, den großen Bewunderer von Pep Guardiola, sind aber auch sehr konkreter Natur. Seit Wochen liegt er mit Chefscout Sven Mislintat im Clinch. Der Klub stärkte die Position von Tuchels Gegenspieler, indem er Letzteren zum „Leiter Profifußball“ hochlobte. Geschäftsführer Aki Watzke vernachlässigte hier und da die Rückendeckung für Tuchel. Und die Fans sinnierten im Forum von „Schwatzgelb“ über „uninspirierten Kackfußball“. Thomas Tuchel war also vorm Kick gegen RB Leipzig leidlich angeschlagen. Die Art, wie er Fußball spielen lässt und diesen nach außen verkauft, stand auf dem Prüfstand.

Die Prüfung hat der Schwabe bestanden, auch wenn er sich die Häme über den nicht gegebenen Treffer der Leipziger hätte sparen können. Was bei all der Tuchel-Skepsis und der Klopp-Vergötterung leider immer vergessen wird: Kein Trainer von Borussia Dortmund hat im Schnitt eine bessere Punktausbeute als Tuchel (2,17). Auch Klopp (1,9) nicht. 30 Bundesliga-Heimspiele hat Dortmund überdies ungeschlagen überstanden. Man sollte sich lieber an die Fakten halten. Nicht nur im Fußball.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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5 Kommentare

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  • Und Pedda Neururer ist besser als Tuchel. Fakten-Fakten-Fakten - ein Überflüssiger Artikel, wie ich finde.

  • Wenn's kein Verein ist, was ist es dann? 'Ne Aktiengesellschaft?

  • Klopp ist ein Gemütsmensch, der die Fans in ihrer Seele berührt und sich dabei selbst gerne mal hinten anstellt. Tuchel ist ein kleinkarierter, spröder und rechthaberischer Erbsenzähler, der sich selbst gerne allzu wichtig nimmt, auch wenn der Rest schlecht wegkommt dabei.

     

    Kein Wunder, wen sich die Fans wünschen, mit "Punkteausbeute" und ähnlichen Statistiker-Krimskrams hat das wenig zu tun, auch wenn die spröden, rechthaberischen Erbsenzähler, zu denen man jetzt wohl auch Herrn Völker zählen darf, das niemals nachvollziehen werden können.

     

    Im übrigen dürfte sich Herr Tuchel aber auch - und das durchaus nachvollziehbar - über die im Vorfeld geäußerten persönlichen Angriffe der Leipziger ("Froh, dass Tuchel nicht unser Trainer ist") geärgert haben, mit denen die "Marketingabteilung, Sparte bezahlter Leistungssport" (RB ist KEIN! Verein) des Brausekonzerns zusätzliches Öl in die kokelnde Stimmung zwischen Club, Anhang und Trainer der Westfalen kippen wollte. Das war schon ganz "Hoeness-" und "Bayern"-like. Und es macht Tuchels Gestik angesichts der vergeblichen, lautstarken Proteste der Leipziger über das zurecht nicht gegebene Ausgleichstor jedenfalls sehr verständlich.

     

    Die Transparente gegen Ragnick und tätlichen Übergriffe einiger Dortmunder gegen die einfache Laufkundschaft der Gäste ("Familien mit Kindern") lassen sich damit allerdings nicht entschuldigen.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    Bitte, bitte, T. Tuches hat sich doch bei Dortmund in's sog. 'gemachte Nest' gesetzt, hat das übernommen, was Herr Klopp aufgebaut hat. Einfacher geht's wirklich nicht.

  • Presskopp

     

    "Die Dortmunder Fans vermissen Jürgen Klopp. Mit Thomas Tuchel tun sie sich schwer. An die Fakten halten sie sich in ihrer Bewertung nicht."

     

    Ja wie? Seit wann hat Fußball was mit Fakten ze donn?