Die Party geht weiter

Rigaer94 Die Kneipe „Kadterschmiede“ im autonomen Hausprojekt darf weiterhin nicht geräumt werden. Vor Gericht wird das Ganze zur Farce: Der Anwalt kann nicht nachweisen, dass ihn der Eigentümer beauftragt hat

Jubel nach dem Gerichtsurteil im Juli 2016: BewohnerInnen und UnterstützerInnen der Rigaer94 sitzen die geplante Räumung aus Foto: Björn Kietzmann

von Erik Peter

Nach einer knappen Viertelstunde im Landgericht konnten die Bewohner und Unterstützer des autonomen Hausprojekts Rigaer Straße 94 in Friedrichshain aufatmen. Erneut endete ein Prozess für sie erfolgreich. Schon zum dritten Mal seit Juli vergangenen Jahres verließen sie das Gerichtsgebäude in der Littenstraße als gefühlte Sieger. Die Szenekneipe „Kadterschmiede“ und ein Werkstatt­raum werden vorerst nicht geräumt. Eine entsprechende Klage des Hauseigentümers wies der Richter mit einem Versäumnisurteil ab.

Zum Problem für den Eigentümer-Anwalt Markus Bernau wurde eine fehlende Prozessvollmacht. Diese sei ihm bei einem Einbruch in seine Kanzlei in der Silvesternacht gestohlen worden, so Bernau. Tatsächlich tauchten zuletzt einige private Dokumente des Anwalts, darunter ein Bußgeldbescheid, auf einem Blog auf. Bernau sprach vor Gericht von Linksradikalen, die sich dieser Taten rühmen.

Eigentümer unklar

Der Anwalt der Hausbewohner, Lukas Theune, hatte in einem Schriftstück kurz vor Prozessbeginn die fehlende Vollmacht moniert und die Klage insgesamt als unzulässig beanstandet. Er legte dar, dass die britische Briefkastenfirma „Lafone Investments Limited“, die als Eigentümerin der Immobilie Rigaer94 fungiert, seit dem Rücktritt des ehemaligen alleinigen Geschäftsführers John Richard Dewhurst am 8. Juli führungslos und damit prozess­unfähig sei. Die Räumungsklage war erst danach, am 10. August, eingereicht worden. Wer sich als wahrer Eigentümer hinter der Limited versteckt, ist weiterhin nicht bekannt.

Fragen des Richters nach einer möglichen gütlichen Einigung, etwa einem Mietvertrag für die „Kadterschmiede“, blockte Theune mit dem Verweis auf die führungslose Gesellschaft ab. Bernau beklagte dagegen, dass ihm Theunes Schriftsatz erst unmittelbar vor Prozessbeginn zugegangen sei und er sich daher nicht habe vorbereiten können. Er verzichtete darauf, einen Antrag zu stellen, kündigte aber an, seine Prozessbevollmächtigung nachzureichen und Widerspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen. Weiterhin verlangt er die Herausgabe der Räume und eine rückwirkende Nutzungsentschädigung.

Auch ein unmittelbar davor stattfindender Prozess zur Räumung einer mutmaßlich besetzten Wohnung im Vorderhaus der Rigaer94 endete ohne Antrag von Bernau. In diesem Fall ging es ebenfalls um die fehlende Prozessvollmacht. Die Richterin monierte zudem, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass die Beklagten tatsächlich in der Wohnung wohnen. Bernau argumentierte, dass den Eigentümern der Zutritt zum Haus nicht möglich sei.

Eigentum: Offiziell gehört das Haus der britischen Briefkastenfirma „Lafone Investments Limited“. Hinter ihr verbirgt sich der wahre Eigentümer, der bis heute unbekannt ist.

Bewohner: Seitenflügel und Hinterhaus der Rigaer94 sind ein linksradikales Hausprojekt. Die Bewohner haben alte Miet­verträge, einige Gemeinschaftsräume gelten als besetzt.

Widerstand: Zwei Razzien zum Jahresanfang 2016 und die Räumung der „Kadterschmiede“ am 22. Juni führten zu teils militanten Protesten.

Gericht: Die von der Polizei ermöglichte Teilräumung war ­illegal, denn ein Titel lag nicht vor. Nun versucht es der Eigentümer auf legalem Weg. (epe)

Seit einem Gerichtsurteil vom 13. Juli sind die umstrittenen Gemeinschaftsräume wieder im Besitz des Vereins „Freunde der Kadterschmiede – Kultur im Kiez e. V.“. Auch damals, drei Wochen nach einer ohne Titel erfolgten illegalen Räumung, sprach das Landgericht ein Versäumnisurteil. Der damalige Eigentümer-Anwalt war nicht vor Gericht erschienen. In der Nacht zuvor hatte vor seinem Haus das Auto seines Nachbarn gebrannt. Ironie der Geschichte: Auch sein Nachfolger Bernau musste nun, trotz Anwesenheit, ein Versäumnisurteil hinnehmen.

In einem separaten Verfahren klagen die Bewohner der Rigaer94 gegen die Teilräumung am 22. Juni vergangenen Jahres. Mit der sogenannten Fortsetzungsfeststellungsklage soll der Polizeieinsatz, der die Räumung der Vereinsräume ermöglichte, für rechtswidrig erklärt werden. Eine Entscheidung wird für die zweite Jahreshälfte erwartet.

Bis dahin könnten sich auch die Auseinandersetzungen um die Räumungstitel gegen die „Kadterschmiede“ und die Wohnung hinziehen. Die beklagten Bewohner und Nutzer der Räumlichkeiten des Hauses haben mit dem heutigen Tag vor allem eines gewonnen: Zeit.