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Wirtschaftsexperte über US-Einreisestopp„Viele haben Angst vor Trumps Rache“

Kritik am „Muslim-Ban“ kommt zwar von IT-Firmen und Banken, denen an internationaler Venetzung gelegen ist. Doch viele halten sich lieber zurück, sagt Dennis Snower.

Trump mit Vertretern der Technologie-Industrie im Trump Tower im Dezember 2016 Foto: ap
Interview von Daniel Böldt

taz: Herr Snower, Trumps Einreisedekret wird von vielen Unternehmen kritisiert. Ein ungewöhnlicher Vorgang?

Snower: Nein, die Entscheidung, Menschen aufgrund ihrer Religion oder Herkunft bei der Einreise zu benachteiligen, widerspricht den fundamentalen Prinzipien, auf denen die USA aufgebaut sind. Auch wenn es beim Einreisedekret nicht primär um wirtschaftliche Weichenstellungen geht, steht jeder politische Entscheider, aber auch jedes Unternehmen in der Verantwortung. Man hat die Wahl, unsere moralischen Prinzipien zu verteidigen oder sich opportunistisch hinter den Präsidenten zu stellen. Erfreulicherweise haben sich viele für Ersteres entschieden.

Kritik kam vor allem von Unternehmen der IT-Branche und einigen Banken. Warum gerade von diesen?

Diese Unternehmen verstehen am meisten von internationalen Wertschöpfungsketten. Sie haben ein Interesse daran, internationale Netze aufzubauen, in denen Personen aus vielen verschiedenen Ländern und Kulturen zusammen agieren, um zu kommunizieren, produzieren oder konsumieren. Trump hat eine vollkommen falsche Vorstellung davon, wie man die USA schützen und ihre Wirtschaft erneuern kann. Das wissen diese Unternehmen.

Der Autobauer Ford hat sich ebenfalls kritisch geäußert. Ansonsten hört man vonseiten der Industrie wenig.

Viele Industrieunternehmen haben Angst, dass sich Trump bei Kritik an ihnen rächen könnte. Daher kann die Versuchung entstehen, opportunistisch zu handeln.

Liegt das auch daran, dass Trump den Finanz- und IT-Unternehmen weniger schaden kann als der Industrie, Stichwort Importzölle?

Das spielt sicher eine Rolle. Wobei man auch sagen muss, dass Trump einzelnen Unternehmen nicht langfristig schaden kann. Er kann beispielsweise nicht Ford dazu verpflichten, seine Kleinwagen in den USA bauen zu lassen. Dies könnte er für alle Kleinwagen verfügen. Das müsste dann aber auch für alle Autobauer gelten. Dennoch herrscht große Unsicherheit. Wir haben eine neue weltpolitische Lage. Viele Unternehmen versuchen daher eher, mit Trump ins Reine zu kommen.

imago/Müller-Stauffenberg
Im Interview: Dennis Snower

66, ist US-Bürger und Präsident des Instituts für Weltwirtschaft an der Uni Kiel.

Führende Technologiekonzerne überlegen nun, gegen Trumps Dekret zu klagen. Kann dies Erfolg haben?

Ja, das ist denkbar. Es ist jedoch oft ein langer, komplizierter Prozess. Während man auf das Resultat wartet, können viele wirtschaftliche Chancen begraben werden. Es entsteht zusätzlich Unsicherheit, die Gift für Investition ist.

Starbucks hat angekündigt, weltweit 10.000 Flüchtlinge einzustellen. Wichtiges Zeichen oder reine Symbolpolitik?

Wenn man sich vor Augen hält, wie viele Flüchtlinge wir weltweit haben, hat dies natürlich vor allem symbolischen Charakter. Dennoch geht der Ansatz in die richtige Richtung. Wir müssen Flüchtlinge nicht nur passive Unterstützung zukommen lassen. Sie müssen gebildet, ausgebildet und beschäftigt werden. Je mehr Unternehmen das machen, desto besser.

Kann sich Trump langfristig mit Unternehmen wie Facebook und Google anlegen?

Beide haben natürlich gewisse Machtpositionen, die sich aus unterschiedlichen Ressourcen ergeben. Viel interessanter wird sein, wie sich Google und Facebook hinsichtlich Bestrebungen einer internationalen Regulierung, etwa in der EU, positionieren. Hier sind die Interessen dieser Unternehmen und die von Trump vielleicht gar nicht so weit voneinander entfernt.

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6 Kommentare

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  • Der "Experte" spricht mal wieder nur die halbe Wahrheit aus. Die andere Hälfte muss der Laie sich selbst denken. :-)

     

    Wenn die Kritik an Trumps "Entscheidung, Menschen aufgrund ihrer Religion oder Herkunft bei der Einreise zu benachteiligen" tatsächlich vor allem "von Unternehmen der IT-Branche und einigen Banken" kommt, hat das wahrscheinlich nicht allein mit "internationalen Wertschöpfungsketten" zu tun. Es hängt vermutlich auch damit zusammen, dass sich die IT-und die Banken-Branche zuletzt relativ frei fühlen konnten.

     

    Beide Wirtschaftsbereiche waren lange nicht mehr existenziell bedroht. Sie waren in den letzten Jahren immer "too big to fail". Nicht einmal dann, wenn ihre Führungskräfte erkennbar haarsträubenden Unsinn getrieben haben, mussten sie ernsthafte Restriktionen oder gar den eigenen Untergang befürchten. Man hat sich quasi sakrosankt gefühlt, zumindest ziemlich autark.

     

    Dieses Gefühl ist eine ziemlich gute Voraussetzung dafür, sich richtig zu entscheiden, wenn man vor die Wahl gestellt wird, "moralische[] Prinzipien zu verteidigen oder sich opportunistisch hinter den Präsidenten zu stellen". Wie tragfähig es im Ernstfall ist und was passiert, wenn die Entscheidungsträger feststellen, dass sie sich geirrt haben in der Einschätzung der eigenen Unantastbarkeit, bleibt leider abzuwarten.

     

    Will sagen: Das Wissen darum, wie falsch Trumps Entscheidungen sind, haben andere Menschen auch. Nur nützt denen ihr Wissen nichts. Wer Angst vor Rache hat, neigt nun einmal zum Opportunismus. Vor allem dann, wenn er sich in einer Konkurrenzsituation befindet und nicht auf Solidarität hofft. In den USA ist das nicht anders als anderswo auf der Welt. Wenn Deutsche jemals mehr erwartet haben von ihrem "großen Bruder", tun sie mir ehrlich leid.

  • "Diese Unternehmen verstehen am meisten von internationalen Wertschöpfungsketten. Sie haben ein Interesse daran, internationale Netze aufzubauen, in denen Personen aus vielen verschiedenen Ländern und Kulturen zusammen agieren, um zu kommunizieren, produzieren oder konsumieren."

     

    Achso, die Sorge ums "bisherige Big Business" mit Sudan, Libyen, Somalia, Iran, Irak, Jemen und Syrien, also den Ländern der Liste. Was in Libyen geschaffen wurde, "alles zerbricht jetzt mit Trump. Immerhin halten moderate Rebellen in Syrien die Stellung." In der IT sind Iraker sicher besser aufgehoben wie in Abu Ghraib oder Guantanamo. Und erst die IT Experten und Facharbeiter aus Somalia. Es menschelt eben bei Starbucks am Tresen, bei Ford am Fließband. Synergieeffekte... Eine Win-Win-Situation.

    • @Jens Egle:

      Es geht bei dem Dekret nicht nur um Flüchtlinge sondern alle Staatsbürger. Auch die mit doppelter Staatsbürgerschaft. Zum Beispiel jemand der in Deutschland geboren und großgeworden ist. Aber eben zusätzlich zur Deutschen noch die Irakische Staatsbürgerschaft hat.

       

      Die doppelte Staatsbürgerschaft vergeben auch andere Länder.

       

      Dann existieren auch in diesen Ländern Universitäten. Auch wenn das allgemeine Bildungsniveau geringer ist. Aber genau diese Leute trifft es. gut ausgebildete Spezialisten, die für eine US Firma arbeiten.

       

      Diese Leute arbeiten auch bei Starbucks, natürlich nicht hinterm Tresen, da werfen sie entweder wissentlich oder aus purer Dummheit Sachen durcheinander.

       

      Ein globales Unternehmen hat in Afrika meist afrikanische Manager, einfach weil die sich besser mit den lokalen Gegebenheiten und der Mentalität auskennen und es gibt noch zahlreiche andere Jobs für gut qualifizierte.

       

      Das Starbucks angekündigt hat nun noch verstärkt Flüchtlinge an zu stellen ist teilweise eine PR Aktion, wie man sie ja schon von Starbucks kennt. Aber diese Leute werden auch nicht extra in die USA für eine Ausbildung eingeflogen. Sondern dort ausgebildet wo sie sind, ob nun in Deutschland, Frankreich oder eben schon in den USA.

       

      Aber letztlich ist diese Aufklärung eh vergebens richtig?

      • @Sascha:

        "Ein globales Unternehmen hat in Afrika meist afrikanische Manager, einfach weil die sich besser mit den lokalen Gegebenheiten und der Mentalität auskennen"

         

        Genau. Länder wie Sudan und Somalia. Die haben wie Libyer und Jemeniten (Huthis, die auch bisweilen von den USA bombardiert werden) gerade andere Sorgen und das schon sehr sehr lange. Jahrzehnte um genau zu sein.

         

        Da schlägt das Herz des Unternehmers, Muslim Ban. Wer's glaubt...

        • @Jens Egle:

          Nehmen wir mal den Sudan, welch Glück, Freude und gütige Hilfe afrikanische Manager zu erwarten haben. Dazu ein wohl eher US wohlgesinnter Text des Auswärtigen Amtes: "Beziehungen zu den USA

           

          Das Verhältnis zu den USA ist seit den 1990er Jahren wegen der politischen Ausrichtung und der Regierungsführung in Khartum sowie seit 2003 wegen des Darfur-Konflikts und der dort begangenen Menschenrechtsverletzungen belastet. Die USA haben Sudan mit Wirtschaftssanktionen belegt, gezielte Sanktionen gegen Verantwortliche des Darfur-Konflikts ausgesprochen und

           

          Sudan auf eine Liste von Staaten gesetzt, die als Sponsoren von internationalem Terrorismus gelten."

          http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Sudan/Aussenpolitik_node.html

      • @Sascha:

        "Zum Beispiel jemand der in Deutschland geboren und großgeworden ist. Aber eben zusätzlich zur Deutschen noch die Irakische Staatsbürgerschaft hat."

         

        Ne, tut es nicht. Kam heute Früh im Radio. B5 aktuell, also ÖR-Nachrichtensender.

         

        Es ist eine Liste mit 7 Ländern von 57 muslimischen Ländern. Für 90 Tage. Von Moslem-Bann also keine Rede.

         

        Man kann es kritisieren, auch die Art der aprubten Umsetzung. Aber was läuft ist schon arge Propaganda. Und genau, Amazon, Google und Co machen sich Sorgen. Vor allem um günstige "Arbeiter" und wie und wo sich's am besten Steuern hinterziehen lässt...