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Berliner MüllkriegLetzte Rache der Unterprivilegierten

Viele Berliner stellen nicht mehr Notwendiges auf die Straße. Das freut nicht nur jene, die es mitnehmen, sondern auch die, die es per App ans Amt melden.

Liegt hier einfach so rum: Müll auf Berliner Straßen Foto: dpa

Das Thema kommt alle Jahre wieder, so wie das Gemecker über rare Berlinale-Karten oder die stinkenden Kanäle im Sommer: der Berliner Müllkrieg. Fast sieht es so aus, als mache sich die eine Hälfte der Bevölkerung regelrecht einen Sport daraus, alte Matratzen, „Billy“-Regale und Elektroschrott unauffällig in der Nachbarschaft zu entsorgen – während die andere Hälfte um die Häuserblocks patrouilliert und die Verstöße dokumentiert respektive „den Behörden“ meldet. Wobei Letzteres seit vorigem Sommer mit der App „Ordnungsamt-Online“ deutlich einfacher geworden ist und daher einen regelrechten Boom erlebt.

Fest steht, die Sache ist recht kostspielig für die Öffentlichkeit. Knapp 4 Millionen Euro kostete sie im vorigen Jahr, teilte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport am Dienstag auf Anfrage der CDU-Abgeordneten Katrin Vogel mit. Auffällig an den Zahlen ist aber etwas anderes. Nämlich dass die Spitzenreiter bei der Vermüllung ausgerechnet die am meisten gentrifizierten Bezirke und Straßen der Stadt sind.

So gab es in Mitte im vorigen Jahr 12.775 Müll-Meldungen. Nord-Neukölln, das die Nachrichtenagentur dpa in ihrer Meldung wohl nur noch in Reminiszenz an alte Zeiten einen „schwierigeren“ Stadtteil nennt, folgt gleich darauf mit rund 10.000 offiziellen Vermüllungsfällen. Auch stark aufgehübschte Straßen wie die Boxhagener, die Rigaer und die Görlitzer in FHX scheinen Hotspots des Müllkrieges zu sein.

Wie aber ist das zu erklären: Würde man nicht vermuten, dass an solchen Orten eher „korrekte“, auf ihr Umfeld bedachte Bürgersleute wohnen – weil die „asozialen“ Minder- und Unterprivilegierten längst nach Marzahn ziehen mussten, wo es aber wiederum in den letzten zwei Jahren zusammen nur 970 Müll-Meldungen gab?

These: Vielleicht wird ja in den teuren Kiezen so viel gemüllt, weil dort noch immer massenhaft Menschen vertrieben werden. Nach dem Motto: Wenn ich hier schon wegziehen muss, lasse ich „denen“ wenigstens meinen alten Kühlschrank da.

Das kann wirklich weg Foto: dpa

Eine Erscheinung, die sich ebenfalls Winter für Winter wiederholt, findet keinen Niederschlag in der neuen App: So lieben es manche BewohnerInnen im müllverliebten Nord-Neukölln, ihre Hinterlassenschaften dem Eis des zugefrorenen Schifffahrtskanals anzuvertrauen. Ob sie sich freuen, dass dann ihre Gegenspieler von der Blockwartfraktion respektive die BSR machtlos bleiben, weil die Entsorgung lebensgefährlich wäre – oder ob sie nur testen wollen, ob das Eis hält, bleibt ihr Geheimnis.

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3 Kommentare

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  • Sonderbarer Kommentar, Frau Memarnia, bei dem es schleierhaft bleibt, worauf Sie hinaus wollen... Menschen, die sich dafür einsetzen, dass ihre Straße nicht zugemüllt wird, und das Ordnungsamt per App ums Aufräumen bitten, gehören für Sie zur "Blockwartfraktion"? Ist es cool, eine Müllhalde vor dem Haus zu haben, die - sobald vorhanden - meist noch weiterwächst?

     

    Statt Rache der Verdrängten ist Straßenvermüllung oft nur ein Zeichen von Bequemlichkeit, Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Kiez und Nachbarn und um sich greifender Wegwerf-Mentalität. Das kann ich bei manchen auf den ersten Blick gar nicht asozial wirkenden Nachbarn gut beobachten: Wenn die neuen Möbel oder der Riesen-Flachbildfernseher geliefert werden, will man sich nicht die Mühe machen, für den alten Kram extra den Sperrmüll zu rufen oder sie gar selbst zum Recyclinghof zu bringen. Der Krempel wird vors Haus geschoben und wenn ihn keiner will, steht er nach zwei Wochen immer noch da und modert vor sich hin...

    • @Andreas V.:

      Auch ist die Grundthese zweifelhaft. Dass in Neukölln mehr Müll via "Ordnungsamt Online" gemeldet wird als in Marzahn, sagt ja nichts über die tatsächlichen Mülldichten aus.

      Vielmehr legt es nahe, dass in Neukölln die Smartphonedichte höher ist. Oder, noch naheliegender, die Bereitschaft, "seinen" Müll zu melden, größer ist.

      Ob das in Blockwartmanier geschieht, sei dahingestellt. Es wird schließlich keiner angesch*ssen, oder?

    • @Andreas V.:

      Die taz stand auch mal für "Öklogie". Aber wenn Leute ihren Sondermüll einfach an die Straße stellen, ist das o.k.?