Die Wahrheit: Wegen Inventur geschlossen
Sind die Zeit zwischen den Jahren und die paar Fläztage danach vorbei, kann man es mit dem Ausmisten getrost lassen.
D ie angenehme Auszeit, in der die Heiligen Drei Könige – verantwortungsloser Fraß, Suff und hemmungslose Serienguckerei – die Sofabevölkerung regierten, endet leider gerade wieder.
Sie begann mit dem Ritual der Anbetung des schiefsten Tannenbaums, der auf dem Markt zu bekommen war. Der Liebste scheut da weder Kosten noch Mühen, und er hat die Argumente auf seiner Seite: „Der im letzten Jahr war schlimmer!“ Nicht, dass es zu Missverständnissen kommt: Ich will gar keine gerade Nadel-Schönheit. Ein Baum hat auch Gefühle, und irgendwer muss die spitteligen, schiefen, zu üppigen und zweispitzigen Exemplare schließlich aufnehmen. Nämlich wir.
Wenn es dann auf den Dreikönigstag zugeht, flüstern wir in seiner Gesellschaft nur noch: „Am Sonnabend ist es so weit, psst, sag mal nix.“ Denn dann kommt die Jugendfeuerwehr und holt ihn ab. Zehn Euro für die Bierkasse ist der Preis dafür.
Vor ein paar Jahren wollten wir dem Baum länger Quartier geben, weil er so dankbar war und kein bisschen genadelt hat. Er hatte sogar schon Deutsch gelernt, glaube ich. Wir konnten uns ein Zusammenleben vorstellen. Trotzdem klingelte am Sammeltag ein käsiger, bierdurstiger Fünfzehnjähriger und knöpfte uns schließlich entnervt das Geld ab, ohne die Tanne mitzunehmen. Einen Monat nach Weihnachten saßen wir dann mit einer unentsorgbaren Baumleiche da.
Das passte schlecht in die große Zeit des Ausmistens und der Inventur. Der Januar, ein ekelhafter und vollkommen nutzloser Monat, wird überall mit Entrümpelritualen gefüllt, um die Sinnkrise zu übertönen, die der ewige Jahreskreislauf bei jedem fühlenden Wesen kurz nach dem Neujahrskater erzeugt. Ich hätte deswegen beinah einen kaputten Holzweihnachtsmann weggeworfen.
Dann fiel mir ein, dass er schon vor Jahren zerbrochen war und seitdem in der Weihnachtsschachtel vergnügt seine Versehrtenrente verzehrt, während die Kollegen am Baum Bella Figura machen müssen, und dass das eigentlich ganz okay so ist. Würde er sich denn in der Tonne wohler fühlen? Nein. Würde es mir besser gehen, wenn ich ihn entsorgte? Ja. Ungefähr zwei Sekunden lang.
Ich versuchte es dann mit Büchern, den zusammengelaufenen, die man doch nicht liest und die das Regal so blöd verstopfen. Nun, ich verrate hier ein Geheimnis: Man liest sie im Januar, stehend vor dem Regal, für ein halbes Stündchen, und legt sie mit einem gemurmelten „irgendwann …“ wieder zurück. Nur jenes Buch über tauchende Mönche im Spreekanal … na, doch, das könnte ich immer noch der ehemaligen Schulfreundin zum Geburtstag schenken. Schade, dass sie mich seit zwanzig Jahren nicht mehr einlädt.
Schließlich warf ich weg: ein paar abgelaufene Gutscheine, Flyer zu längst abgebauten Ausstellungen, ein nicht mehr aktuelles Prospekt eines Schuhhauses und die Müllberatungsbroschüre meines Landkreises. Es war die vom vergangenen Jahr.
Ich fühlt mich besser. Drei Sekunden lang.
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