Die Wahrheit: Symphonie zweier Seelen

Das Wahrheit-Interview: Der Hobbyhistoriker Christian Maintz über eine Amour fou der großen deutschen Mimin Veronica Ferres.

Eine Zeichnung, die einen Mann mit 3D-Brille zeigt

Auf den Spuren von Veronica Ferres und Abraham Lincoln Illustration: Ulrike Haseloff

taz: Herr Maintz, man kennt Sie als humoristischen Dichter und Vortragskünstler. Was hat Sie dazu veranlasst, jetzt auch als Historiker hervorzutreten?

Christian Maintz: So kann man nur fragen, wenn man dem deutschen Schubladendenken verhaftet ist. Im angelsächsischen Raum herrscht eine viel größere Offenheit für berufliche Seitensprünge. Nehmen wir Winston Churchill, der nicht nur ein bedeutender Staatsmann und ein großer Feldherr war, sondern auch ein Träger des Hosenbandordens und des Nobelpreises für Literatur. Oder Francis Bacon – einerseits ein begnadeter Maler und andererseits der Begründer des philosophischen Empirismus.

Verzeihung, aber der Maler Francis Bacon und der Philosoph gleichen Namens sind zwei unterschiedliche Personen.

Das mag sein. Ich möchte mich hier nicht mit Haarspaltereien aufhalten. Was ich sagen will, ist schlicht: Es steht auch Lyrikern frei, Historiker zu werden. Und umgekehrt. Hat nicht auch Hans-Ulrich Wehler Gedichte geschrieben?

Das entzieht sich unserer Kenntnis. Herr Maintz, Ihr neues Buch ist eine Doppelbiografie …*

Dabei habe ich mich an großen Vorbildern orientiert. Denken Sie an Plutarch und seine Doppelbiografie von Alexander und Cäsar oder an Alan Bullocks klassisches Werk über Hitler und Stalin.

Christian Maintz: „Symphonie zweier Seelen. Veronica Ferres und Abraham Lincoln – das Traumpaar aus Solingen und Kentucky. Eine psychohistorische Doppelbiografie aus heutiger Sicht“. Verlag Zur Laterne, Gießen 2017, 652 Seiten, 39,80 Euro.

Nun ist es aber in herkömmlichen Doppelbiografien so, dass die Personen, um die es geht, demselben Zeitalter und demselben Betätigungsfeld entstammen. Diese Grundregel haben Sie bewusst außer Acht gelassen.

Wenn die Menschheit immer nach alter Väter Sitte verfahren wäre, säßen wir heute noch auf den Bäumen. Man muss auch mal was riskieren.

Meinen Sie nicht, dass Sie vielleicht etwas zu viel riskiert haben mit Ihrer Doppelbiografie von Veronica Ferres und Abraham Lincoln?

Wieso?

Bei Amazon rangiert Ihr Buch zurzeit auf Platz 33.865.902, und in der bislang einzigen Kundenbewertung heißt es: „650 Seiten Bullshit. Hingerotzt von Mister Zero-Checking-Schnallnix-Maintz. Was hat die Ferres mit Lincoln zu schaffen??? Thumbs down!!!“

Hätten Sie auch Heinrich von Treitschke auf irgendeine Amazon-Kundenrezension angesprochen?

Ist das unter Ihrer Würde?

Sie könnten mich ja auch einfach nach den geistigen Verbindungslinien zwischen Veronica Ferres und Abraham Lincoln fragen.

Gibt es denn da welche?

Eine selten dämliche Frage. Haben Sie mein Buch überhaupt gelesen?

Nur den Klappentext. Und das Kapitel mit dem sonderbaren Titel: „Veronica und Abe – zwei Paar Schuhe oder eine Amour fou sans précédent dans l’ histoire occidentale?“

Und was wollen Sie jetzt wissen?

Sie schildern dreihundert Seiten lang das Leben von Abraham Lincoln und anschließend dreihundert Seiten lang das Leben von Veronica Ferres, und dann kommt dieses merkwürdige Kapitel, das nur aus Knittelversen besteht …

Ja, und?

Sie schreiben da: „Aus dem Jenseits sprach Old Abe / zu Veronica: ‚My babe, / I am dead. You are alive. / Would you please become my wife?‘ / Poor Veronica said: ‚Nein – / Kein Verstorb’ ner soll mich frei’ n!‘ / But then Abe said: ‚Well, ich sehe / Sehr viel Sinn in einer Ehe / Mit dem Weib, das ich begehre, / Sträube es sich noch so sehre!‘ / Und so stieg die Hochzeit mit Gebrause / In der Gruft, wo Abe zu Hause …“

Sie brauchen mir das nicht alles vorzulesen. Ich kenne mein Buch.

Finden Sie, dass solche Reimereien irgendwas mit seriöser Geschichtsschreibung zu tun haben?

Dieser Trennstrich zwischen E und U ist auch schon wieder typisch deutsch.

Dann verraten Sie uns doch mal, was Veronica Ferres tatsächlich mit Abraham Lincoln verbindet.

Da geht es natürlich ins Uferlose. Mich interessiert daran ohnehin nicht das Vordergründige. Wenn Sie es schreiend plakativ haben wollen, müssen Sie sich an die Kollegen von der Regenbogenpresse wenden. Ich bin nur für Gefühlsnuancen zuständig.

Können Sie das konkretisieren?

Verkürzt gesagt: Aus astrologischer Sicht kann man bloß zu dem Schluss gelangen, dass Veronica Ferres eine Reinkarnation von Nancy Lincoln ist, der Mutter von Abraham, und dass die beiden ihre ungelösten Beziehungsprobleme in vielen weiteren Reinkarnationen klären müssen …

Dieser Hintergedanke hat Sie wahrscheinlich auch zu dem etwas abgedroschenen Titel Ihres Buches inspiriert – „Symphonie zweier Seelen“.

Der ist mir vom Verlag aufgezwungen worden. So wie das ganze Thema. Ursprünglich wollte ich eine Doppelbiografie über Hildegard von Bingen und Max Schmeling schreiben, aber dann kam heraus, dass Matthias Matussek das Gleiche plante, und weil der Vorschuss verbraucht war, kam ich aus der Nummer nicht mehr raus und musste umdisponieren.

Und woran arbeiten Sie jetzt?

An einem Vierzeiler zum Thema Borkenkäfer und an einer Dokusoap über die unehelichen Nachkommen von Stefan George und Eva Braun.

Wie bitte? Hatten die was zusammen?

Es gibt grafologische Gutachten, die keinen Zweifel daran gestatten, dass Stefan George und Eva Braun ein inzestuöses Dreiecksverhältnis mit Maria Stuart und Paul von Hindenburg unterhielten. Mehr kann ich noch nicht verraten. Lassen Sie sich überraschen.

Sie sind ja ein wahrer Tausendsassa. Dürfen wir Ihnen noch eine letzte Frage stellen?

Nein.

Danke für das Gespräch.

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