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Die WahrheitEin Grippenspiel

Kolumne
von Jenni Zylka

Gegen Erkältungen helfen viel Ignoranz und Pseudoephedrin. Gegen einen Kater hingegen hilft kein Wasser.

E iner der häufigen Wortverwechsler meiner Kindheit war – neben dem jedem Menschen bekannten Terroristen/Touristen, und dem vor allem bei „John Maynard“ verdächtig klingenden Gicht/Gischt (Hä? Wieso schäumt das um den Bug, was der Großvater von Little Lord Fauntleroy in den Fingergelenken hat? Diese komische Erwachsenenwelt …) – das Wortpaar Grippe/Krippe.

Das fiel mir unlängst, an Weihnachten nämlich, wieder ein, als ich das eine hatte, das andere aber nicht. Bin ja orthodoxe Atheistin.

Deshalb konnte mir auch nicht der liebe Gott helfen, dem Virus (oder der Verkühlung) den Garaus zu machen, sondern ich musste auf probate, vom Teufel gemachte Hausmittel zurückgreifen: die Rosskur (heißer Rum mit Zitrone und Honig), die einen alles Kranke prima ausschwitzen lässt.

Die dennoch anhaltende Schlappheit der folgenden Tage bekämpfte ich mit den billigsten Apotheken-Grippetabletten, die Pseudoephedrin enthalten – ein Zauberzeug, das einen den ganzen Tag fit, wach und konzentriert am Schreibtisch hält und ein „Grippenspiel“ nach dem anderen texten lässt, sogar in der exotischen Variante „Vogelgrippenspiel“. Obwohl man ja eigentlich mit verstopfter Nase und gedämpftem Gehirn in den Seilen hängen und die Krankheit „auskurieren“ sollte.

Keine Aufmerksamkeit verschenken

Aber, ehrlich gesagt, halte ich überhaupt nichts vom „Auskurieren“. Das „Auskurieren“ hat es bei mir noch nie gebracht – eine vorübergehende Erkältungskrankheit ist weder schneller vorbei, noch ist sie angenehmer, wenn man sich richtig auf sie einlässt. Im Gegenteil. Wie ein ADHS-Patient kommt sie erst richtig zum Zuge, wenn man ihr die gewünschte Aufmerksamkeit schenkt.

Nach Jahrzehnten der Erfahrung und Unmengen besorgter Tipps von Freundinnen, die auf Kosmetikwerbesprech wie „Ruhe gönnen“ und „auf den Körper hören“ schwören, bin ich wieder der Ansicht, der ich bereits mit 19 war: Kleinere Krankheiten kann man genauso gut komplett ignorieren – davon werden sie nicht stärker.

In diesem Zusammenhang (und passend zur weihnachtlichen Juhnke-Schleife) finde ich übrigens auch den Tipp mit dem Glas Wasser zwischen den Drinks total unsinnig: Klar, wenn man anstatt eines alkoholischen Getränks ein Glas Mineralwasser tränke und es bei der gleichen Gesamtanzahl der Drinks pro Abend belassen würde, dann! Aber das macht ja niemand.

Ich trinke meist zusätzlich Unmengen von Gratis-Leitungswasser und muss dann andauernd auf Toilette – das ist die einzige Wirkung. Der Kater dagegen ist genau gleich, nämlich ohnehin sehr verfassungsabhängig.

Die Mehr-Wasser-Mär ist ein Verkaufstrick der Mineralwasserindustrie, der daraus erwuchs, dass der Verband Deutscher Mineralbrunnen sich darüber ärgerte, vom Weihnachtsgeschäft nicht wie alle anderen profitieren zu können, weil normalerweise kein Mensch bei erhöhtem Feieraufkommen mehr Wasser trinken würde. Aber das habe ich ja jetzt durchschaut und publiziert. Der finanzielle Dolchstoß wird der Wassersprudler-Katastrophe gleichen.

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1 Kommentar

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  • Wie das? "Der finanzielle Dolchstoß wird der Wassersprudler-Katastrophe gleichen", jetzt, wo Jenny Zylka "die Mehr-Wasser-Mär" als "Verkaufstrick der Mineralwasserindustrie" glasklar "durchschaut und publiziert" hat? Dass ich nicht lache! Frau Zylka hat doch selbst geschrieben: "Kleinere Krankheiten kann man genauso gut komplett ignorieren – davon werden sie nicht stärker." Für Kolumnistinnen und ihre Texte gilt das analog. Das weiß ich zwar nicht, seit ich 19 war, aber immerhin seit ich die taz lese. :-)