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Christian Jakob über den Freispruch für zwei angebliche SchlepperFlucht als doppeltes Risiko

So unterschiedlich kann es gehen: In Ungarn verurteilte vor wenigen Tagen ein Gericht einen Syrer zu zehn Jahren Haft wegen illegalem Grenzübertritt. In Köln wurden am Dienstag ein 18 Jahre alter und ein 20 Jahre alter Syrer freigesprochen, denen die Staatsanwaltschaft Schlepperei vorgeworfen hatte. Ein Iraker hatte die beiden belastet. Der Mann war im November 2015 mit einem Schlepperboot vom türkischen Bodrum aus in Richtung der Insel Kos in See gestochen. Das Boot kenterte, die Frau und zwei Kinder des Irakers sowie fünf weitere Insassen ertranken.

Die beiden beschuldigten Syrer hatten vor Gericht erklärt, selbst mit knapper Not über das Mittelmeer nach Europa gelangt zu sein. Das Gericht glaubte ihnen. Anders als in Ungarn widerstand die Justiz in Köln der Versuchung, ein Exempel gegen Schlepper statuieren zu wollen.

Dass immer häufiger Flüchtlinge in solchen Verfahren vor Gericht stehen, kommt nicht von ungefähr. Seitdem die Strafen für Schlepperei rund ums Mittelmeer verschärft wurden, lagern die Schleuser die Risiken auf die Flüchtlinge aus. Sie selbst bleiben im Hintergrund. Es sind die Flüchtlinge, die die Boote steuern müssen. Sie sind es, die es riskieren, zu ertrinken – oder eben ins Gefängnis zu kommen. Die Flüchtlingsboote gelten heute als Tatorte von Menschenschmuggel, die Insassen den Behörden als potenziell Verdächtige.

An die tatsächlichen Schlepper ist derweil kaum heranzukommen. In der Türkei haben im letzten Jahr lokale Beamte mit der Abfahrt Hunderttausender in Richtung Griechenland ein gutes Geschäft gemacht. In Libyen sind es die herrschenden Milizen, die die Flüchtlinge mit immer schlechteren Booten aufs Meer schicken. Fast 4.800 Menschen starben dadurch in diesem Jahr.

Eines darf man dabei nie vergessen: Dieses mörderische Geschäft gibt es nur deshalb, weil die Schlepper die Einzigen sind, die den Flüchtlingen den Weg an einen sicheren Ort bieten.

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