Tatverdächtiger Uwe Böhnhardt: Sie weiß von nichts
Im NSU-Prozess erklärt Beate Zschäpe, sie wisse nichts zum Verdacht gegen Uwe Böhnhardt im Fall der getöteten Peggy K. Unter Druck gerät sie dennoch.
Ihr reicht ein Wort: „Nein.“ Warum Zschäpe dafür eine derart lange Bedenkzeit brauchte, sagt Borchert nicht.
Mitte Oktober machten Ermittler einen sensationellen Fund: Sie stießen auf eine DNA-Spur des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt auf einem Stofffetzen vom Leichenfundort Peggy K.s. 2001 war die Neunjährige in Nordbayern verschwunden, erst in diesem Juli wurde ihr Skelett in einem Thüringer Wald entdeckt. Wie kam die DNA dorthin? Bis heute wird dazu ermittelt.
Zschäpe, so viel ist nun klar, wird dies nicht weiter erhellen. Richter Götzl fragte aber auch nach einem PC aus dem letzten Unterschlupf des Trios in Zwickau. Ermittler fanden darauf neben etlichen Pornobildern auch Fotos nackter Kinder.
Auch hier lässt Zschäpe am Donnerstag abwiegeln. Den PC habe sie zwar gemeinsam mit Böhnhardt und Uwe Mundlos genutzt. Die Bilder aber kenne sie erst aus den Ermittlungsakten. Es sei jedoch Mundlos gewesen, der die damals gebrauchte Festplatte besorgt und in den Rechner geschraubt habe. Mehr könne sie dazu nicht sagen.
Spur beruht möglicherweise auf Verunreinigungen
Zur Böhnhardt-DNA im Fall Peggy K. ermittelt eine Polizei-Soko und die Staatsanwaltschaft Bayreuth. Sie beauftragten inzwischen auch externe Untersuchungsinstitute, um der Frage nachzugehen, ob die Spur möglicherweise auf einer Verunreinigung beruht.
Eine Thüringer Ermittlergruppe hatte sowohl bei der Leiche Uwe Böhnhardts, der sich 2011 erschossen haben soll, Spuren gesichert, als auch bei der Leiche von Peggy K. In beiden Fällen soll ein gleicher Zollstock verwendet worden sein. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, die Untersuchungen würden „noch einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen“.
Im NSU-Prozess gerät Zschäpe derweil auch ohne den Fall Peggy K. unter Druck. Die Richter drängen auf das Prozessende. Noch in diesem Jahr wollen sie den Gerichtspsychiater Henning Saß anhören. Dessen vorläufiges Gutachten fiel für Zschäpe bereits fatal aus.
„Deutlich antisoziale Tendenzen“, attestierte ihr Saß. In der rechten Szene sei sie ein „energisches, wehrhaftes“ Mitglied gewesen. Auch für die Untergrundzeit mit Böhnhardt und Uwe Mundlos könne „nicht festgestellt werden, dass ein grundlegender Wandel in Überzeugungen eingetreten ist“.
Dass Zschäpe, wie behauptet, machtlos gegen die zehn Morde ihrer Kumpanen war, sei unwahrscheinlich: Alle Zeugenaussagen sprächen dagegen, „dass sie sich über eine sehr lange Periode entgegen ihrer eigenen Auffassung in einer so dramatischen Frage wie dem Begehen einer Serie von Tötungshandlungen dem Willen die beiden Lebenspartner gebeugt hätte“.
Briefwechsel darf in Verfahren eingeführt werden
Zschäpes Verteidiger intervenieren am Donnerstag: Saß dürfe nicht mehr in diesem Jahr angehört werden. Die Anwälte verweisen auf ihre Absicht, ein Gegengutachten erstellen zu lassen. Das brauche Zeit. Götzl widerspricht: Das Gutachten könne auch nachgereicht werden. Ein Wortgefecht entsteht. Am Ende lässt der Richter seine Entscheidung offen.
Eine weitere Hiobsbotschaft für Zschäpe aber verkündete Götzl schon zuvor. Er beschloss, dass Zschäpes Briefwechsel mit einem inhaftierten Rechtsextremen ins Verfahren eingeführt werden darf. Auch dagegen hatten sich die Verteidiger vehement gewehrt: Dies verletze Zschäpes Privatsphäre.
Den Brief schrieb sie 2013, aus der U-Haft, kurz vor Prozessbeginn, an den Dortmunder Neonazi Robin S. – und präsentiert sich darin ebenfalls wenig unterwürfig. „Um's Verreckenwillen“ werde sie niemanden in der JVA an ihrem Gefühlsleben teilhaben lassen, schreibt Zschäpe.
Bisweilen sei sie „auf Krawall gebürstet“: „Meine Schimpforgien hätten dir Schwindelgefühle bereitet.“ Es sind Worte, die erneut Futter für die Anklage liefern, die Zschäpe als selbstbewusstes, „gleichgeordnetes“ Mitglied des NSU-Trios sieht.
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