: „Boxen bleibt eine gefährliche Sportart“
BOXEn Eduard Gutknecht wollte den WM-Titel und brach nach dem verlorenen Kampf in der Kabine zusammen. Er wurde notoperiert, ins künstliche Koma versetzt und liegt jetz in Hannover in der Klinik
„Ich bin bereit und werde in London alles abrufen, was in mir steckt. Alles auf Sieg.“ Das ist der bislang letzte Eintrag auf der Facebook-Seite von Eduard Gutknecht. Er schrieb das kurz vorm Kampf gegen George Groves am 18. November in London. In dem Kampf ging es um den interkontinentalen Titel der World Boxing Association im Supermittelgewicht.
„Es war ein Traum für ihn, nochmal die Weltspitze zu knacken. Er wollte den Kampf unbedingt“, sagte Gutknechts Manager Winfried Spiering. “Leider hat es nicht geklappt.“Kurz nach der Punktniederlage brach Gutknecht in der Kabine zusammen, er musste wegen einer Gehirnblutung notoperiert werden und wurde anschließend in ein künstliches Koma versetzt. „Was der Bursche jetzt braucht, ist Ruhe“, sagte Manager Spiering der Süddeutschen Zeitung. „Es gibt keine Prognose von den Ärzten, wie es nun weitergeht, sie schauen von Tag zu Tag“, sagte Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer. Inzwischen konnte Gutknecht in eine Klinik nach Hannover verlegt werden.
Schwere Kopfverletzungen lassen sich beim Boxen nicht ausschließen. Der 34-jährige Gutknecht ist ein erfahrener Boxer und hatte alle ärztlichen Tests vor dem Kampf bestanden. Für Diskussionen sorgt aber, dass er sich in der neunten von zwölf Runden nach einer Kombination ins Gesicht einen blutigen Cut über dem rechten Auge zuzog, das daraufhin anschwoll.
„Ein Abbruch wäre zumindest gerechtfertigt gewesen“, sagt der Hamburger Neurochirurg Christoph Goetz, der selbst als Ringarzt arbeitet, dem NDR. „Der Cut hat seine Situation dramatisch verschlechtert.“ Laut Manager Spiering war Gutknecht allerdings jederzeit ansprechbar und hat in der Kabine noch gesagt dass er sich in der zehnten Runde „super gefühlt“ habe. Auch Goetz möchte nicht den Stab über die Verantwortlichen am Ring brechen. „Man hatte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass er angeschlagen war“, sagte er. „Man kann niemandem einen Vorwurf machen. Am Ende bleibt Boxen eine gefährliche Sportart.“
Gefährlich wird das Boxen auch dadurch, dass viele Boxer, die im goldenen Box-Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende Profi geworden sind, heute jede Chance nutzen, um noch etwas vom dem kleiner gewordenen Kuchen abzubekommen und sich ihre Existenz zu sichern. Dieser Druck erhöht zumindest die Gefahr, sich in entscheidenden Situationen im Ring für die Siegchance und gegen die Gesundheit zu entscheiden.
Der in Kasachstan geborene Gutknecht begann seine Profilaufbahn nach 156 Amateurkämpfen 2006 beim Hamburger Profistall Spotlight. Er kämpfte bereits 2010 um den WM-Titel im Supermittelgewicht. Nach seinem Wechsel zum Berliner Sauerland-Stall wurde er Europameister im Halbschwergewicht, verlor den Titel allerdings an den Schweriner Jürgen Brähmer. Für den WM-Kampf gegen Groves war er extra wieder ins leichtere Supermittelweicht gewechselt. Groves hat inzwischen einen Spendenaufruf für Gutknecht gestartet. Ralf Lorenzen
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