Die Wahrheit: Geschenke
Das Genöle über Geschenke geht mir auf die Nerven. Wer nichts geschenkt haben möchte, kann gern alles bei mir abladen!
S chon wieder Dezember, und schon wieder habe ich nicht alle meine Adventskalenderideen an den Mann/die Frau gebracht. Allein den mit den 24 einzelnen Legogrundbausteinen (Einser, Zweier und Vierer, und am Heiligabend einen Sechser oder einen Helm) konnte ich mehrfach verschenken, zur Vorbereitung musste ich einzig unseren Staubsaugerbeutel über einem Gitter ausleeren.
Den „Auf dem Bau“-Themenkalender mit den 24 kleinen Schnapsfläschchen bastelte ich zwar leichter Hand fertig – ich hatte im Sommer eine beeindruckende Schnapsflaschensammlung samt hellem Buchenregal aufgekauft, bei der von „Küstennebel“ über „Schlüpferstürmer“ bis zu „Kleiner Feigling“ alles dabei war. Doch in meinem Bekanntenkreis schenken sich die Erwachsenen aus unerfindlichen Gründen in der Adventszeit nichts.
Und die angeschlossenen Kinder wollte ich nicht damit beglücken, nach den schlechten Erfahrungen, die ich sammelte, als ich die restlichen etwa 200 Fläschchen als Kaufmannsladen-Befüllung an die umliegenden Kitas zu spenden versuchte. Also vergab ich je einen „Auf dem Bau“-Kalender an die beiden vom neuen Hausbesitzer beauftragten Bauarbeiter, die gerade unseren Hausflur mit Zahnpasta weißen, damit danach die Miete erhöht werden kann – obwohl ich gegen Bauarbeiter-Stereotypen bin.
Sie tränken keinen Alkohol, winkten denn auch beide ab, und ich bevor ich fragen konnte: Moslem oder trocken?, saßen sie schon wieder auf der Leiter und verputzen die Wände. So werde ich die Fläschchen wohl doch an den Baum hängen. Oder vielleicht an den Baum unten an der Straße neben dem U-Bahn-Eingang, denn bei uns im Bahnhof könnte man einige Menschen damit erfreuen.
Gefreut hätte sich auch der Briefträger, dem ich schon diesen Dezember einen selbstgemachten Adventskalender aus 24 unterschiedlich großen Paketen schenken wollte, die er mir im Laufe dieses Jahres die vielen Stufen heraufgeschleppt hat, von Flaschenkartongröße bis zur Versandtasche, in die eine Strumpfhose passt. Dann eben nächstes Jahr. Ich bin schon auf sein überraschtes Gesicht gespannt, wenn er ausnahmsweise mal nicht mit leeren Händen, sondern noch mehr vollgepackt als vorher die Treppe wieder hinabsteigt!
Und das ist doch schön. Denn das Getue wegen des angeblichen Konsumterrors und das Genöle über Geschenke geht mir auf die Nerven. Wer nichts geschenkt haben möchte, kann gern alles bei mir abladen! Mich macht man mit Geschenken prinzipiell glücklich, ich freue mich über alles, was umsonst ist. Das fängt bei der Wurstscheibe-auf-die-Hand an und geht über Parfumproben bis hin zu Aufklebern mit meinem Namen und aussterbenden Tieren drauf, die ich immer am Jahresende von einer Umweltschutzorganisation geschickt bekomme. Tier und Logo der Organisation schneide ich mit einer Nagelschere weg, und schon habe ich Profi-Aufkleber, falls ich mal zur Asthmakur fahre und meine Kleidung kennzeichnen muss, so wie früher im Kinderheim.
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