Die Wochenvorschau für Berlin: Alles hochsymbolisch
Fabrikhalle, Schloss oder Hotel: Für ihre Parteitage wählen die Parteien mitunter sehr eigenwillige Locations. Diese Woche tagen die Linke und die SPD.
“Ich wäre sehr dafür, dass sich die SPD wieder ein bisschen proletarisiert.“ Sigmar Gabriel, Bundesvorsitzender der SPD, am vergangenen Samstag
Die Räume, in denen Parteitage abgehalten werden, sind einerseits reale Räume: mit Tagungstechnik, Bestuhlung und so weiter. Aber sie sind genauso Symbole. Trifft sich die Partei in einer umgebauten Fabrikhalle oder in einem ehemaligen Schloss? Liegt der Saal im Osten oder im Westen? All das schwingt mit, wird in die Öffentlichkeit transportiert und ist alles andere als eine zufällige Entscheidung.
Die Grünen hatten sich zu ihrer Landesdelegiertenkonferenz am Samstag im „Tagungswerk“ getroffen, der ehemaligen Jerusalemkirche in Kreuzberg. Die Linke, die am Mittwoch das Ergebnis ihrer Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag verkündet, lädt am kommenden Wochenende nach Adlershof, um einen neuen Landesvorstand zu küren – dort hat sie Räume der Wista GmbH angemietet, die dort den Wissenschaftsstandort managt.
Und die Sozialdemokraten, deren oberster Chef sich gerade mal wieder auf die Wurzeln der Arbeiterklasse besonnen hat? Empfängt ihre Delegierten zum Landesparteitag im Interconti. Genau: im Hotel Intercontinental am Zoologischen Garten, dessen Glanz zwar nach dem Mauerfall etwas verblasst ist, das aber immer noch in die Luxusklasse gehört, wo Besserverdienende opulente Bälle feiern und Proletarier die Zimmer nur zum Bettenmachen betreten.
Ein glamouröses Trostpflaster?
Was das für ein Signal sein soll? Vielleicht ganz trotzig, dass die SPD trotz ihres grottenschlechten Abschneidens bei der Abgeordnetenhauswahl immer noch die stärkste Fraktion ist, folglich den Regierenden stellt und damit die Königspartei der Hauptstadt ist? Oder ist es ein glamouröses Trostpflaster für die Mitglieder, damit sie mal eine Weile mit dem Wundenlecken aufhören?
Wer weiß. Ziemlich sicher ist jedenfalls: Die Sozis werden dem Vertrag zustimmen, und am Donnerstag, auf der bereits dritten Sitzung des Abgeordnetenhauses in der neuen Wahlperiode, wird Michael Müller erneut ins Rote Rathaus gewählt. Die, die dort mit am Tisch sitzen dürfen, sind ja auch schon bekannt, Müller wird sie anschließend zu Senatorinnen und Senatoren ernennen.
Auf dieser Sitzung wird laut Tagesordnung auch über einen der ersten Anträge der AfD-Fraktion abgestimmt. Die liefert genau das, was zu befürchten war: Der Senat wird aufgefordert, bis Jahresende alle Rundfunkstaatsverträge zu kündigen – schließlich strickten die Öffentlich-Rechtlichen fleißig mit am Lügengespinst, das unser Land erstickt. Wo wird die AfD ihren nächsten Parteitag abhalten? Wenn es nach uns geht, gerne in der guten, alten Deutschlandhalle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!