piwik no script img

Schwerpunkt: der Adel und die NazisAdel bereichert

Aus deutschen Adelsfamilien gingen nicht nur Widerstandkämpfer hervor. Die meisten versuchten, das Nazi-Regime für ihre Zwecke zu nutzen.

Hatte für Hitler durchaus Sympathien – wie dieser umgekehrt für ihn: Der abgedankte britische König Edward VIII besucht den Diktator 1937 mit seiner Gattin Wallis Simpson auf dem Oberberghof

HAMBURG taz |Der deutsche Adel und die Nationalsozialisten trafen sich in einem Punkt: in ihrem Antisemitismus. Schon 1920 hatte die Deutsche Adelsgenossenschaft einen internen „Arierparagraphen“ eingeführt, der – ganz gemäß der Stammes-Ideologie der Nazis – weit zurückreichte: Mitglied im „Eisernen Buch des deutschen Adels deutscher Art (EDDA) konnte nur sein, wer „arische“ Vorfahren bis 1800 nachwies.

Denn Juden, das waren für den Adel Repräsentanten der Moderne, und damit wollte diese monarchistisch gesinnte Kaste nichts zu schaffen haben. Zudem war der Adel seit dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Ende der Monarchie – samt der als „Schmach“ gedeuteten Flucht Kaiser Wilhelms II. – ohnehin geschockt und suchte nach neuen ideologischen Ankern.

Wenig überraschend also, dass vor allem junge Adlige bei völkisch Rechtsnationalen, später bei den Nationalsozialisten ihre politische Heimat fanden. Und auch wenn die meisten Familien ihre Archive bis heute unter Verschluss halten: Fakt ist, dass schon 1930 Adlige massiv für die NSDAP warben. August Wilhelm Prinz von Preußen etwa agitierte im Bierzelt für Hitler, Prinz Max Egon zu Hohenlohe-Langenburg spann internationale Fäden nach Westeuropa; die Mussolini-Kontakte organisierte Prinz Philipp von Hessen.

Es gab im preußischen Adel „praktisch keine der berühmten Familien, die nicht dabei war“, sagt Historiker Stephan Malinowski, Verfasser des Bandes „Vom König zum Führer“. Und eine der Ursachen sei in der Tat der Status- und Machtverlust nach 1918 gewesen, sagt Historikerin Karina Urbach, die das Buch „Hitlers heimliche Helfer“ schrieb. Die Erfahrung der Revolution und die Angst vor einer Bolschewisierung Europas hätten zu einem Umdenken im Adel geführt, sagt Urbach. „Autoritäre Regime werden plötzlich attraktiv.“

70 Mitglieder des Hochadels traten schon vor 1933 in die NSDAP ein

Das äußert sich auch in Zahlen: Allein 70 Mitglieder des Hochadels traten schon vor 1933 in die NSDAP ein; bis 1941 waren es schon 270. Der Kleinadel tat es ihnen gleich: Aus 350 stichprobenartig untersuchten Familien traten laut Malinowski fast 3.600 Adlige der NSDAP bei, darunter allein 43 Bismarcks und 41 Schulenburgs. Und jeder vierte von ihnen vor 1933.

Hinter all dem stand die – irrige – Idee, das anfangs belächelte plebejische „Parvenü“-Regime für eigene Interessen zu nutzen: Der Adel spekulierte nicht nur auf Land, das Hitler im Zuge des Angriffskrieges in Osteuropa erobern wollte. Das NS-Regime bot auch Karrieremöglichkeiten in Diplomatie und Militär; die Anzahl der adligen Offiziere etwa stieg zwischen 1933 und 1935 von 900 auf 2.300. Und in der berüchtigten Totenkopf-SS waren 1938 rund 18 Prozent der Obergruppenführer adlig. „Dazu kamen Karrierechancen infolge politischer Säuberungen im höheren Verwaltungsdienst und der Diplomatie“, sagt Malinowski. Damit habe die Mehrzahl der Adligen das NS-Regime gestützt.

Dabei leugnet der Historiker nicht, dass es auch ehrenwerte adlige Demokraten gab – wie die Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944 um Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Das gescheiterte Attentat sei im Wortsinn ein „Aufstand des schlechten Gewissens“ gewesen.

„Ohne Adel hätte es keinen 20. Juli 1944 geben“, sagt Malinowski. Aber eben auch nicht Hitlers Machtergreifung am 30. Januar 1933.

Lesen Sie mehr in der gedruckten taz.nord, Schwerpunkt SEITE 43–45 oder hier

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • & nochens

     

    Zum Foto - mal so viel -

     

    "Ja - der Adel hält auf Taille -

    Nur der Pöbel frißt sich satt!" &

     

    Er - sicher wie der graf schenk -

    Member of Stefan George Circle?;)) &

     

    Ha noi. Die taz - sollte den Ball - ob

    Adels-Besoffenheit mal ganz flach halten &

    Die eigene Nase auf ihre Pinocchio-Länge abtasten - gell! Jaja!

     

    ff - aber gern;)(

     

    Denn auch die taz erlag einem Zauber (-Lehrling): sonntaz- Streit 02.08.2009 (Adel?) - http://www.taz.de/!5159006/

    Remember?! - Aber Hallo!

    KTG v. Geel! - Watten Fotto!

    • @Lowandorder:

      ff - Leser-Dialoge damals - ? -

       

      dazu sind nicht mehr vorhanden.

      Einer aber - war so sauer & hatte sein "Statement" dazu aber gespeichert & Ein C.W. ("Ich bin auf dem Weg zum Emir.") war damals noch MP von lower saxonia.

       

      Bitte - @rubato:

      " - "In anderen Ländern werden die Besten gefördert..."

       

      Umgekehrt wird ein Schuh draus. Guttenberg, Wulff, Pflüger usw. usw. und andere devote A....... wurden und werden von undemokratischen, CIA-nahen oldboys- networks und Kaderschmieden aufgebaut und gefördert, in die man nur durch Empfehlung und Verbürgung von "bewehrten" Alt- Katern hinein kommt und sie halten sich dann für die Guten. Aussicht auf Einfluss und Macht korrumpiert anscheinend noch mehr als Geld.

       

      Wir brauchen keinen Adel in der Politik und mehr schon gar nicht. Wir brauchen Demokratie und Aufklärung über die längst etablierten und aktiven Neo-Feudalisten, die im Verborgenen Macht ausüben, indem sie "Politiker" nach ihrem Gusto aufbauen, und diese sich gewogen halten. Und hierzu wir bräuchten eine Presse, die über genannte Zustände und Vorgänge berichtet. Ich hoffe immer noch auf die taz; denn die Sturmgeschütze der Demokratie sind längst eingerostet und das Führungspersonal vom "Spiegel" anderen ehemaligen "Qualitätspresse"-Verlagen ist mit den undemokratischen Netzwerken verbandelt.

       

      P.S.: Liebe taz, um die Folgen von Wulff-Politik zu beurteilen, befassen Sie sich doch mal mit "Zwergschule 2.0", wie sie als Folge der "Bildungsreformen" in Nds. zur Zeit entsteht. Dort wird wirklich geplant, fünfte und sechste Klassen in Hauptschulen wieder gemeinsam zu unterrichten, da sinnvolle Klassenstärken nicht mehr vorhanden sind. Gesamtschulen sind ja des Teufels, glaubt Wulff. Ein starker Glauber."

       

      ps: "Dass das Ganze z.Zt. unter "taz.mit behinderung" angezeigt wird - nun ja. Ich kann nix dafür!;)("

       

      kurz - Adel bereichert - Sich - & Immer!

  • Einfach lesen -

    Jutta Ditfurth - Der Baron Die Juden & die Nazis http://www.jutta-ditfurth.de/Baron-Juden-Nazis/Baron-Juden-Nazis.htm

    & die letzten Briefe des "Helden" des 20. Juli - Graf Schenck -

    Über die "Untermenschen im Osten" -

    (wie ich sie übrigen auch bei Nazissen &

    "& dem Führer schenken wir viele blonde Kinder…"

    Bei Müttern von Weggefährten gelesen habe!)

    Ein Anlaß aber "20. Juli&Adel" - als eine

    horribele dictu - Ehrenrettung? -

    Geht's noch! No way!

    Gorbi&Karlsruhe wg Ostelbischer Krautjunker

    Waren sich da historisch komplett einig!