Neue Chefin fürs Völkerkundemuseum: Partizipation war gestern
Die Afrika-Expertin Barbara Plankensteiner will weniger Feste feiern und Projekte mit zeitgenössischen Künstlern fördern
HAMBURG taz | Dieses Haus ist ein Ort, an dem man sich wohl fühlen kann. An dem Feste steigen, in dem Hamburgs Diaspora-Communitys von Portugal bis Afrika zu Hause sind: Hamburgs Museum für Völkerkunde ist eher eine Stätte des Dialogs denn der intellektuellen Ausstellung. Ein Haus niedrigschwelligen Mitmachens, wo Kinder auch mal im nachgebauten Tipi-Zelt übernachten können. Und die 2015 eröffnete, ein Jahr währende Ausstellung „Africa’s Top Models“ über Schönheitsideale kam eher beschreibend als reflektierend daher. Dafür konnten sich die Besucher im munteren Kopfputzbinden versuchen.
Das war so partizipatorisch wie basisdemokratisch. Doch nicht alle schätzten diese Politik des langjährigen Direktors Wulf Köpke, der zum 1. Februar 2017 überraschend als Trainer für transkulturelle Kompetenz zur Polizei wechselte.
Den Innovationsschub fürs Museum soll – nach der üblichen, sparsamkeitsbedingten, mehr als einjährigen Vakanz – ab April 2017 die neue Chefin Barbara Plankensteiner bringen. Seit 2015 erst ist die 1960 im italienischen Bozen geborene Philosophin, Afrika-Spezialistin und langjährige Chefkuratorin des Wiener Weltmuseums an der Yale University Art Gallery tätig. Und doch habe sie sich, sagt sie, durch das „verlockende“ Hamburger Angebot an „eins der wichtigsten ethnographischen Museen in Europa“ locken lassen.
Es sei ein spannender Zeitpunkt, ein solches Haus zu übernehmen, findet sie. Da hat sie recht: Breit wird derzeit die Existenzberechtigung ethnographischer Museen diskutiert, die vom Exotismus- und Kolonialismus-Vorwurf bis zur Legitimität der Exponate reicht. Auch über die nicht-fetischisierende Präsentation der Stücke wird international gestritten, ebenso über Partizipation.
Die Frage der Legitimität hat in Hamburg natürlich auch Wulf Köpke schon aufgeworfen. Immer wieder ist er in die Südsee gereist, hat seinerseits Delegationen etwa von den Palau-Inseln und der Maori empfangen, um auszuloten, wo die Exponate am besten konserviert werden können und wie die Besitzer trotzdem Zugang bekommen können. 2014 haben das Museum und die Uni Hamburg zudem ein gemeinsames Projekt zur Erforschung der kolonialistischen Geschichte von zunächst 20 Exponaten gestartet, deren Resultat als App veröffentlicht werden soll.
All dies moniert Plankensteiner auch nicht. Natürlich wolle sie das fortführen, „genau für diese Themen befindet sich im Museum ein immenses unaufgearbeitetes Archiv“, sagt sie. Aber sie wolle eben auch Kontextualisierung – ein Aspekt, den die bisherigen Ausstellungen des Hamburger Völkerkunde-Museums in der Tat oft vernachlässigten – sowie Projekte mit zeitgenössischen Künstlern.
Es klingt, als wolle sie mal ein bisschen aufräumen in diesem Museum, das genauso ein Gemischtwarenladen ist wie das Altonaer und das Museum für Kunst und Gewerbe. Insgesamt allerdings, sagt sie, „muss es um Empathie gehen, um ein Verstehen unterschiedlicher Lebenswelten“.
Dafür könnte Köpkes Dialog-Ansatz allerdings besser geeignet sein als intellektuelle Ausstellungen. Und wenn Plankensteiner außerdem findet, es solle wieder ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Begegnung und Ausstellung geben, hat sie vielleicht nicht bedacht, dass sich die von der Politik eingeforderten Besucherzahlen eher durch gut besuchte Feste generieren lassen als durch Ausstellungen.
Aber Staatsrat Carsten Brosda, der Hamburgs Kulturbehörde seit dem Tod von Senatorin Barbara Kisseler kommissarisch leitet, ist zufrieden mit der Wahl, spricht von neuen internationalen Impulsen und erfreulichem Neubeginn.
Und dann ist da noch etwas, das die Behörde bedacht haben könnte, als sie Plankensteiner berief: ihre Expertise in Fälschungsfragen. In diese Falle war Köpke 2007 getappt, als er sich eine gefälschte chinesische Terrakotta-Armee andrehen ließ und die Ausstellung bald schließen musste.
So etwas wird Plankensteiner, die für das Landeskriminalamt (LKA) bereits mehrfach Gutachten über die Echtheit – allerdings afrikanischer – Skulpturen erstellte, wohl nicht passieren. Besonders mit dem 2012 erstellten Gutachten über vermutlich gefälschte Bronzeköpfe aus Benin hatte sie sich keine Freunde gemacht.
Der betroffene, wegen Betrugs angezeigte Berliner Galerist Peter Herrmann, der die Stücke angeboten hatte, startete auf seiner Homepage nämlich eine Kampagne, in der er nicht den Anzeigenden, sondern Gutachterin Plankensteiner persönlich und fachlich angriff. Nach einer weiteren Anzeige wegen einer mutmaßlich gefälschten, angeblich von Picasso bearbeiten Afrika-Maske hat Herrmann seine Galerie inzwischen nach Togo verlegt.
Wie Barbara Plankensteiner heute zum Thema Fälschungen steht? Über geplante Ausstellungen oder Veranstaltungen zum Thema möchte sie noch nichts sagen. „Das Thema ,Fälschungen' wäre in einem viel weiteren Kontext von Fragen zu Authentizität und Markt einzubetten, mit denen man sich durchaus auch beschäftigen könnte“, sagt sie. Weiter will sie vorerst nicht gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!