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Vereinsgesetz in DeutschlandReligionsprivileg gilt nicht mehr

Seit 15 Jahren können Vereine mit religiöser Zielsetzung verboten werden, wenn sie die Sicherheit gefährden. Auf „Die wahre Religion“ trifft das zu.

Die Durchsuchung erfolgte nicht im Rahmen der Strafverfolgung, sondern war Teil vereinsrechtlicher Maßnahmen Foto: dpa

BERLIN taz | Das deutsche Vereinsgesetz regelt nicht, wie man Vereine gründet und zur Blüte führt. Nein, es regelt, wann der Staat Vereine verbieten kann und welche Befugnisse er dabei hat. Zwar beginnt das Gesetz ganz liberal: „Die Bildung von Vereinen ist frei.“ Doch schon im nächsten Satz kommt der Gesetzgeber zur Sache: „Gegen Vereine, die die Vereinsfreiheit missbrauchen“, könne „zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit“ eingeschritten werden.

Ein Verbot ist dabei aus drei Gründen möglich: Wenn Ziele oder Aktivität des Vereins die Strafgesetze verletzen, wenn sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung wendet und wenn sich der Verein gegen die Völkerverständigung richtet. Im Fall von „Die wahre Religion“ (DWR) ging es um die beiden letzten Gründe.

Bis 2001 gab es im Vereinsgesetz ein sogenanntes Religionsprivileg. Vereine mit religiöser Zielsetzung durften nicht verboten werden. Nach den Al-Qaida-Anschlägen von New York und Washington galt diese Einschränkung aber als überholt. Als eine der ersten Maßnahmen des nach dem damaligen Innenminister Otto Schily (SPD) benannten Otto-Katalogs wurde daher das Privileg gestrichen.

Auch verfassungsrechtlich war das Privileg nicht geboten. Wer aus religiöser Verhetzung andere tötet oder dazu aufruft, muss Eingriffe in seine Religionsfreiheit dulden. Das gebietet schon die staatliche Pflicht zum Schutz der potenziellen Opfer, die ja auch Grundrechte haben.

Inzwischen hat das Innenministerium schon mehrfach islamistische Vereine verboten, unter anderem den Kölner „Kalifatsstaat“ (2001), die „YATIM-Kinderhilfe e. V.“ (2005), die Hamas-nahe Hilfsorganisation „IHH“ (2010) und auch mehrere salafistische Vereine. Natürlich erhielt auch der „IS“ (2014) ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot, so dass sein Emblem in Deutschland von Anhängern nicht gezeigt werden darf.

Die Durchsuchung von 190 Häusern, Wohnungen und Büros von DWR-Aktivisten erfolgte nicht im Rahmen der Strafverfolgung, sondern war ebenfalls Teil der vereinsrechtlichen Maßnahmen. Denn wenn ein Verein verboten wird, wird auch sein Vermögen beschlagnahmt und einbezogen. Die örtlich zuständigen Verwaltungsgerichte hatten die Durchsuchungen genehmigt.

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6 Kommentare

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  • "Wer aus religiöser Verhetzung andere tötet oder dazu aufruft, muss Eingriffe in seine Religionsfreiheit dulden." - wohl wahr. Aber wie ist das, wenn jemand religiös begründet einen Körperteil wie die Vorhaut bei einem Jungen abschneidet oder dazu aufruft? - Muss derjenige nicht auch Eingriffe in seine Religionsfreiheit dulden. Denn: "Das gebietet schon die staatliche Pflicht zum Schutz der potenziellen Opfer, die ja auch Grundrechte haben.", z. Bsp. die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und der Gleichheit vor dem Gesetz (eine entsprechende Beschneidung bei Mädchen ist ja verboten). Und gegenüber einer "milden" Form der weiblichen Genitalverstümmelung wie z. Bsp. nur das Einritzen der Klitorisvorhaut ist die Vorhautbeschneidung bei Jungen in der Regel ein größerer Eingriff - auch nach Meinung einer betroffenen Frau wie Ayaan Hirsi Ali. Ähnlich nahmen dazu auch die europäischen Kinderarztverbände Stellung.

    Es wäre zu wünschen, dass ebenso wie zu Recht im Artikel auch beim Thema Beschneidung sich ähnlich klar in der TAZ geäußert wird. Den Eindruck hatte ich bis auf seltene Ausnahmen bisher leider nicht.

  • Zur Information (an N Frank):

    Es gibt in Dt. ein Parteienprivileg mit Verfassungsrang. Die sind viel schwerer zu verbieten.

    Vereine können viel leichter verboten werden.

    Klar ist das alles Politik und hier werden auch die Forderungen gegen Islamisten vorzugehen, bedient.

    Nazi-Gruppen und Vereine wurden allerdings auch immer wieder verboten:

     

    Combat18 (Pinneberg), Collegium Humanum (Vlotho), und das überregionale Blood & Honour.

    Letzteres ist aber trotz Verbot weiter vielfältig aktiv. Schwierige Arbeit.

  • Sehr geehrte Herr Nico Frank, die Feststellung nur muslimischen Glaubensgemeinschaften bliebe der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verwehrt, ist nicht richtig. Auch eine Reihe christlicher Vereine streben diesen Status an und haben in Folge immer noch den Status eines Vereins. Dabei wird den Anwärtern vergleichbar dem Streben nach einer Mitglied in der EU geprüft, ob es sich wirklich um eine Reglionsgemeinschaft handelt und ob ihr Weltbild mit dem Grundgesetzt übereinstimmt. Es geht hier nicht um eine Verfolgung muslimischer Gemeinschaften. Ein Katholik zu sein schützte wenig vor der Verfolgung der Nationalsozialisten. Kommunisten, Intellektuelle und die Mitglieder christlicher Vereine wie die Bibelforscher wurden ebenso verfolgt wie die Juden. Damals ging es um die Gleichschaltung einer Gesellschaft, deren probates Mittel ein gemeinsamer Feind war. Der heutige Faschismus wendet diesselben Instrumente ein und versteckt sich hinter der Fassade einer gemeinsamen Nation, einer Rasse oder der Religon.

     

    Und nochetwas: Durch die Zentralisierung des Wissens und die Deutunghoheit der katholischen Kirche wurde jahrhundertealtes Wissen eingefroren, ging verloren oder entwickelte sich weiter. Der Islam war damals weitaus toleranter und weiter was Hygiene, Medizin, Literatur und andere Bereiche betraf.

     

    Daher verankert unser Grundgesetz, dass jeder unabhängig von seiner Religon, seiner Weltanschauung, seines Geschlechts, seiner sexiuellen Orientierung, einer Behinderung etc.. denselben Zugang zu Bildung und Arbeit haben soll.

    • @Walter K.:

      Danke für Ihre Sicht der Dinge. Ihr Text der intellektuell einer gewissen Plausibilität stand hält, zielt m.M. viel zu stark auf die Relativierung der doch für jedermann sichtbar gewordenen Islam-Hass Bewegung in unserem Land. Unser Grundgesetz verbietet die Willkür. Dieses Willkürverbot gelangte nicht von ungefähr in das Grundgesetz, es ist ein hoch christlicher Wert: Gerechtigkeit.

      Fehlt dem Recht die Gerechtigkeit, dann sprach der Philosoph Augustinus von einer Räuberbande (Kirchenlehrer und Philosoph Augustinus (354–430). Unser Staat sollte aber keine Räuberbande sein.

  • Islamgläubigen Mitbürgern wird es seit über 70 Jahren verboten ihren Glauben ähnlich unser Katholische Kirche, in einem Körperschaftsstatus, also eine rechtlichen Organisationsform als Körperschaft des öffentlichen Rechts aufzubauen und so in den Genuss eines privilegierten Schutzes ihrer Glaubensgemeinschaft wie im Grundgesetz vorgesehen, zu kommen.

     

    So bleibt den islamgläubigen Mitbürgern nichts anders übrig, als sich in Vereinen zu organisieren. Wie der Autor richtig auf die Otto Schily-Gesetze hinweist, kann der Innenminister mit einer Unterschrift Vereine verbieten, ihre Häuser durchsuchen, Bankkonten sperren und das ganze schöne Geld und Vermögen beschlagenem. Praktisch ist das die völlige Vernichtung des Vereins.

     

    In den dreißiger Jahren, wurden die Rabbiner aus den Synagogen geführt und an Ort und Stelle erschossen. Anschließend brande man die Gebetshäuser nieder. Unser islamgläubigen Mitbürger können sich glücklich schätzen, so brutal schlägt der Staat heute nicht mehr zu. Ein wahrer Fortschritt.

  • Ich frage, hat der Autor mal einen Terrorprozess insgesamt beobachtet? Ich schon. Ich hatte vor einigen Jahren das Verfahren hier in München vor dem Oberlandesgericht beobachtet, bei dem es um paar junge Spinner ging, die auf Youtube Kopfabbideos veröffentlicht hatten und deswegen von der Bundesanwaltschaft wegen Förderung von Terrorismus angeklagt waren. Eine Lachnummer, wie hier die Anklage angebliche Beweise schön redete und wie das Gericht nicht vorhandene Beweise durch Wahrsager in der Gestalt von sog. Terrorexperten, wie wir sie auch dem TV kennen, auszufüllen versuchte.

     

    Die sog. Terror-Prozesse mit Islam Bezug reichen aus meiner Sicht nicht den rechtstaatlichen Standards. Das der Staat durchaus in der Lage ist ein faires und rechtsstaatliches Verfahren zu gefährlichsten, zeigt das NSU-Verfahren gegen die Angeklagte Beate Zschäpe.

     

    Das gleiche ist auch auf die Verbotsverfahren zu sagen. So hat der Staat es bis heute nicht fertig gebracht die NPD oder „Nazi“-Organisationen zu verbieten. Bei Islam Vereinen hingegen geht das ganz schnell. Wieso ist das so?