Kommentar Verbot von Salafistenverein: Es trifft die Richtigen

Wer islamistischen Terror bekämpfen will, muss auch dort ansetzen, wo die Radikalisierung beginnt. Wie jetzt beim Verein „Die Wahre Religion“.

Eine Hand hält einen von Salafisten verteilten Koran in einer Fußgängerzone

Das Verbot kommt spät, zu spät vielleicht Foto: dpa

Dass Muslime ihre Religion in Deutschland frei leben können, ist eine Selbstverständlichkeit. Oder sollte es zumindest sein. Denn die Religionsfreiheit ist im Grundgesetz festgeschrieben. Doch die der Muslime steht derzeit unter Beschuss: Die Islamfeindlichkeit in der Bevölkerung nimmt zu, die AfD will unter anderem Bau und Betrieb von Moscheen einschränken, und auch in anderen Parteien wird ein Burka-Verbot lebhaft diskutiert. Und mit jedem islamistischen Anschlag spitzt sich die Lage ein bisschen mehr zu.

Da ist es für den Bundesinnenminister, der ja auch für die Verfassung zuständig ist, ein besonders heikler Zeitpunkt, gegen einen Verein vorzugehen, der in deutschen Fußgängerzonen scheinbar nur den Koran verteilen und für den Islam – wenn auch in einer radikalen Auslegung – werben will. Denn genau dieses Image ist es, das sich der salafistische Verein „Die Wahre Religion“ und sein Gründer Ibrahim Abou Nagie nach außen hin geben.

Das Image aber trügt, das Vereinsverbot trifft eindeutig den richtigen. Abou Nagie und sein Verein bekämpfen die Demokratie. Beide rufen zwar nicht öffentlich zur Gewalt auf, legitimieren sie aber – und das schon seit Jahren. Wenn Islamisten der Polizei oder vor Gericht über ihre Radikalisierung berichten, dann ist dabei häufig von der „Lies-Kampagne“ die Rede. Über die nimmt der Verein Kontakt zu jungen Leuten auf, lädt sie in ihr Netzwerk ein und spinnt sie dann mit ihrer Ideologie ein, die die Welt in Gut und Böse, gläubig und ungläubig einteilt.

140 junge Leute, die zum Teil oder ausschließlich über den Verein radikalisiert wurden, sollen laut Innenminister am Ende in den Dschihad nach Syrien oder den Irak gezogen sein. Abou Nagie und sein Verein gelten, auch in Sicherheitskreisen, nicht als direkte Unterstützer des IS oder anderer Terrorgruppen. Wer aber islamistischen Terror bekämpfen will, muss auch dort ansetzen, wo die Radikalisierung beginnt.

Der Verein bekämpft seit Jahren unsere Demokratie

Das Verbot kommt spät, zu spät vielleicht. Experten und auch einige Bundesländer weisen seit Langem darauf hin, wie gefährlich Abou Nagie und „Die Wahre Religion“ sind. Brauchten die Sicherheitsbehörden so lange, um gerichtsfeste Beweise für das Verbot zusammenzutragen? Das ist zu hoffen. Denn bislang mussten Ermittlungen dieser Art gegen Abou Nagie stets fallen gelassen werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.