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Kongos Präsident Kabila unter DruckVerhärtete Fronten in Kinshasa

Kongos Regierung tritt ab, aber Präsident Kabila hält sich kurz vor Ende seiner Amtszeit alle Optionen offen. Der UN-Sicherheitsrat ist ratlos.

Oppositionelle tragen die Opfer blutig niedergeschlagener Proteste zu Grabe Foto: reuters

Berlin taz | Es kommt Bewegung in die Krise, die in der Demokratischen Republik Kongo durch die Absage der dieses Jahr fälligen Wahlen entstanden ist. Premierminister Augustin Matata Ponyo, im Amt seit 2012, reichte am Montag seinen Rücktritt ein, um Platz für eine Übergangsregierung unter Einbeziehung der Opposition zu schaffen. Das Büro von Präsident Joseph Kabila erklärte, die gesamte Regierung sei zurückgetreten.

Eine Übergangsregierung mit Oppositionsbeteiligung war am 18. Oktober nach einem „politischen Dialog“ in der Hauptstadt Kinshasa vereinbart worden. Sie soll Kongo regieren, bis Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden. Die waren eigentlich in diesem Monat fällig, aber mangels Vorbereitung hat die Wahlkommission sie nicht angesetzt; sie sollen nach den Maßgaben des Dialogs nun im April 2018 stattfinden, aber das gilt als optimistisch.

Bis neu gewählt wird, will Präsident Kabila im Amt bleiben, obwohl seine laut Verfassung letzte gewählte fünfjährige Amtszeit am 19. Dezember zu Ende geht. Es gilt als möglich, dass er bei Neuwahlen erneut kandidiert, obwohl die Verfassung ihm das verbietet.

Kongos wichtigstes Oppositionsbündnis „Sammlung“ unter den Politikern Etienne Tshisekedi und Moise Katumbi lehnt Kabilas Amtszeitverlängerung strikt ab. Die „Sammlung“ boykottierte den Dialog, forderte fristgerechte Wahlen und verlangt jetzt ab 19. Dezember einen neuen Präsidenten, nicht nur eine neue Übergangsregierung. Das macht sie zur Bedingung zum Eintritt in eine neue Regierung. Ausgeschert ist der ostkongolesische Parteiführer Vital Kamerhe, der am Dialog teilnahm und sich jetzt Hoffnungen auf das Amt des Premierministers unter Kabila macht.

Ernüchterte Abreise

Wie verhärtet die Fronten sind, davon konnten sich die Botschafter des UN-Sicherheitsrats überzeugen, als sie am Wochenende unter Leitung Angolas zu politischen Gesprächen nach Kinshasa reisten. Nach Angaben aus der UN-Delegation war Kabila weder zu einem eindeutigen Verzicht auf eine dritte Amtszeit bereit noch zu Verhandlungen mit der „Sammlung“. Er soll gesagt haben, die Verfassung könne man ja ändern und die Opposition könne ihn ja anrufen. Die UN-Botschafter reisten am Sonntag ziemlich ernüchtert wieder ab.

Über seine weiteren Pläne will Präsident Kabila am Dienstag bei einer Rede vor dem Parlament Auskunft geben. Offen ist, ob er da bereits einen neuen Premierminister ernennt. Für den 19. November hat die Opposition zu neuen Protesten aufgerufen, als „letzte gelbe Karte“ für den Präsidenten, bevor das Volk ihm am 19. Dezember die „rote Karte“ zeigt.

Am Wochenende meldeten sich erstmals seit 2013 die M23-Rebellen zurück

Menschenrechtler befürchten, dass die radikalisierte Jugend in Kinshasa jeglichen Kompromiss ablehnt und ihrer Wut auf das System freien Lauf lassen will. Deswegen könne sich die Opposition jetzt keine Konzessionen an Kabila erlauben.

Für zusätzliche Unruhe sorgt neue Instabilität im Ostkongo. Am Wochenende regte sich erstmals seit drei Jahren die einstige Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) wieder, deren Führung seit ihrer Niederlage im Bürgerkrieg im November 2013 in Uganda weilt, und wagte eine kurze Inkursion auf kongolesisches Gebiet. Wenige Tage zuvor forderte ein Anschlag mit einer ferngezündeten Bombe auf UN-Blauhelme in der Provinzhauptstadt Goma viele Verletzte und mindestens eine Tote. Und an diesem Montag demonstrierten in Goma Hunderte unbezahlte Regierungssoldaten.

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