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Die WahrheitHier spricht die Fußmatte

Kolumne
von Fritz Eckenga

Mit dem Gewöhnen an diversen Unbill des Lebens ist es so eine Sache, die auch nicht besser wird, versetzt man sich hinein in eine Fußmatte.

E s gibt diese Kalendersprüche, die einen durch die Kurve tragen, wenn das Umgebungspersonal – genannt „Mitmenschen“ – wieder rumquälgeistert, als würde es dafür bezahlt. Braucht man dann ein Eigensedativum, kann man sich bei Kalenderwart Konfuzius bedienen: „Wenn du einen Würdigen siehst, dann trachte ihm nachzueifern. Wenn du einen Unwürdigen siehst, dann prüfe dich in deinem Innern.“

Na ja – kann man schon nehmen, ist aber, wenn’s pressiert, vielleicht ein bisschen lang. Statt der chinesischen, empfehle ich die westfälische Version meines Oppas: „Man kann se sich nicht aussuchen.“ Der Spruch schafft „se“ zwar nicht aus der Welt, hemmt aber vorübergehend die eigene Adrenalin-Produktion.

Noch so ’n Satz: „Man gewöhnt sich an alles.“ Den sollte man sich besser nicht angewöhnen. Kommt im ersten Moment zwar recht griffig daher, ist aber ein Blender. Man gewöhnt sich nicht an alles, nur weil man alles schon mal erlebt hat. Mein Oppa hat zum Beispiel zwei Weltkriege erlebt, sogar überlebt. Hat er sich deswegen dran gewöhnt? Na also.

Ich werde mich nie daran gewöhnen, dass mein Fußballverein auch mal ein Spiel verliert. Und ganz bestimmt werde ich mich keinesfalls daran gewöhnen, dass gewisse Hundeeigentümer ihre, ihnen auch um die Nase herum immer ähnlicher werdenden, Möpse genau dahin kacken lassen, wo ich gleich mit meinen Profil-Gummisohlen hintrete – und zwar kurz bevor ich in mein Auto steige.

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Ich bin sogar sehr sicher, dass sich selbst die Fußmatte meines Autos niemals daran gewöhnen wird, dass ich sie mit frisch kotaminierten Profilsohlen besteige. Meine Matte sagt in solchen Momenten übrigens gern etwas von Paulo Coelho: „Wenn man auf ein Ziel zugeht, ist es äußerst wichtig, auf den Weg zu achten.“ Oder: „Herzlich willkommen in der Erlebniswelt Fahrgastzelle. Wunderbäume in vielen Duftvarianten an der nächsten Tankstelle.“

Kleiner Tipp: Falls Sie die Zitate in Ihrer Coelho-Gesamtausgabe nachprüfen wollen, der hilfreichere der beiden Gebrauchshinweise ist nicht vom großen Meister.

Mir ist übrigens durchaus bekannt, dass meine Fußmatte nicht sprechen kann. Pardon, ich war kurz mal draußen im Fantasiebereich. Hier drinnen in der Wirklichkeit ist es aber noch dubioser. Da spreche ich selbst manchmal, als sei ich Bodenbelag. Vielleicht sage ich deswegen auch viel zu oft: „Man gewöhnt sich an alles.“

Ja, ich sage das. Wider besseres Wissen. Weil ich ja weiß, dass ich mich nicht gewöhnen werde. Nicht an Niederlagen meines Fußballvereins. Nicht an Menschen, die mit dem Rücken zum Denkmal stehen, damit beim Knipsen die eigene Pfanne mit auf dem Bild ist. Und schon mal gar nicht an diese als Wutbürger verkleideten unzivilisierten Schreihälse, deren Sorgen und Nöte ich dauernd ernst nehmen soll.

Da muss man obenrum schon ziemlich heruntergekommen sein, wenn man sich an die gewöhnt hat.

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1 Kommentar

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  • Die Opas sind auch nicht mehr, was sie mal waren! Oder waren es die Enkel?

     

    Nein, man gewöhnt sich nicht an alles. Das ist auch gar nicht wünschenswert. Im Gegenteil. Manche Dinge müssen dringend schon vorher weg, und dafür braucht es Ärger-Energie. Nötig ist es allerdings, den eigenen Adrenalinspiegel im Griff zu haben. Und wenn es dafür hin und wieder mal des "Eigensedativum" bedarf, dann muss das eben eingenommen werden.

     

    Das Ärgerliche am Adrenalin ist nämlich, dass es, im Übermaß genossen, nicht denen schadet, an die man sich ums Verrecken nicht gewöhnen kann. Es schadet vielmehr einem selbst. Wenn alle Energiereserven aus sind, geht's an die Substanz. Es sind also die Arschlöcher, die davon profitieren, wenn man nicht in der Lage ist, zu steuern, was gesteuert werden muss. Ein toter Held ist schließlich kein besonders guter Held.

     

    Bei dem Gedanken muss ich gleich wieder zu einem wirksamen Sedativum greifen, glaube ich. Nein, mit "Coelho" ist die Flasche nicht beschriftet.