: Ein Brief vom FBI erfreut Clinton
Wahlkampf Der oberste Ermittler James Comey entlastet die Kandidatin in letzter Minute. Ihre Umfragewerte steigen, und Kandidat Donald Trump schäumt vor Wut
Aus New York Dorothea Hahn
Das FBI will das letzte Wort im Präsidentschaftswahlkampf haben. Nachdem der oberste Ermittler James Comey Ende Oktober mit der Bekanntgabe von neuen E-Mail-Funden Hillary Clintons Kampagne einen schweren Schlag versetzt hatte, schrieb er am Sonntag erneut einen Brief an den US-Kongress. Dieses Mal teilte er mit, dass der Fund nichts Belastendes ergeben habe und dass er daher dabei bleibt: Clinton ist als Außenministerin fahrlässig mit geheimem Material umgegangen, aber das hat nicht zu einer Straftat geführt und verdient keine Ermittlungen.
Unmittelbar nach der FBI-Ankündigung stiegen Clintons Umfragenwerte in die Höhe. Die Kandidatin selbst schwieg zu der neuen abenteuerlichen Wende 30 Stunden vor Eröffnung der Wahllokale.
Donald Trump, der in den vorausgegangenen zehn Tagen Lob an den FBI-Chef ausgeteilt hatte, weil der die Wiedereröffnung von Ermittlungen gegen Clinton erwogen hatte, tobte seit dessen neuem Brief vor Wut. Als die Nachricht am Sonntag kam, war Trump gerade in dem traditionell blauen – also demokratischen – Bundesstaat Minnesota gelandet, den er am Dienstag rot – also republikanisch – färben möchte. Bei seinem Wahlkampfmeeting ließ er den FBI-Direktor wieder fallen. Er sprach von einem „Foul“, sagte, dass es unmöglich sei, 650.000 E-Mails an einem Tag zu untersuchen (tatsächlich hatte das FBI eine Woche Zeit dazu, d. Red.) und versicherte seiner Basis, dass die FBI-Agenten die „furchtbaren Verbrechen“ von Clinton nicht durchgehen lassen würden.
Während Trump allen Anlass zur Sorge hat, könnte die Ankündigung von Comey für die Demokratische Partei zu spät kommen. Zwar sieht es jetzt wieder so aus, als würde Clinton ihre Wahl gewinnen können. Doch die zahlreichen anderen demokratischen KandidatInnen – für die beiden Kammern des Kongress und für Positionen in den Bundesstaaten – haben schwer unter der ersten Comey-Ankündigung gelitten. Ein Resultat könnte sein, dass die Demokratische Partei keine Mehrheit im Senat erreicht.
Das Vorgehen von Comey ist vielfach als Versuch der politischen Einflussnahme auf die Wahlen kritisiert worden. Er hatte seinen ersten Brief im Oktober gegen die Empfehlung seiner Vorgesetzten, der demokratischen Justizministerin Loretta Lynch, verfasst. Lynch argumentierte unter anderem mit den ungeschriebenen Regeln, dass das FBI nicht mit laufenden Ermittlungen an die Öffentlichkeit geht und dass es schon gar nicht in Wahlkämpfe eingreift.
Nach Medienrecherchen im Apparat der 36.000 FBI-Agenten stand Comey jedoch hausintern unter Druck. Bei einer anderen Ermittlung über „Sexting“ mit einer Minderjährigen hatte das FBI auf dem Laptop von Anthony Wiener 650.000 E-Mails gefunden. Inzwischen scheint klar zu sein, dass diese von Clintons enger Mitarbeiterin Huma Abedin stammen, mit der Wiener noch verheiratet ist, nicht aber von der Exaußenministerin selbst.
Comey galt bis zu seiner Einmischung in der Schlussphase des Wahlkampfs als Mann, der sowohl mit DemokratInnen als auch RepublikanerInnen konnte. Er war unter George W. Bush Vizejustizminister, wechselte dann in den Rüstungssektor und kam im Jahr 2013 in den öffentlichen Dienst zurück, als Barack Obama ihn zum FBI-Chef machte. Seine Amtszeit wird turnusmäßig noch jene des nächsten Präsidenten überdauern, auch wenn es schwer vorstellbar ist, wie er sich nach dieser Episode mit Hillary Clinton arrangieren wird.
Nach dem Ende der E-Mail-Affäre zitterte Washington am Vorabend des Wahltags vor einer Cyberattacke. Während Trump bei seinen Auftritten vor „Manipulationen“ durch die DemokratInnen warnte, befürchteten SicherheitsexpertInnen, dass Russland die empfindlichen Wahlcomputer angreifen könnte.
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