Schlechte Bildungschancen für Geflüchtete: Zu lange unter sich
Weil Folgeunterkünfte nicht fertig sind, können rund 900 Kinder in Erstaufnahmen nicht zur Schule gehen. Behörde will das jetzt für ältere Kinder ändern
Rund 1.870 Kinder, darunter 900 Schüler, leben mit ihren Eltern schon länger als sechs Monate in provisorischen Erstaufnahmen (EA). Sie gelten als „überresident“, wie es im Amtsdeutsch heißt, weil ihr Schutzstatus anerkannt ist und sie längst in eine Folgeunterkunft mit mehr Platz hätten ziehen sollen – oder in eine Wohnung. Und von dort, so der alte Plan der Behörde, sollten sie in eine Internationale Vorbereitungsklasse (IVK) gehen, um Deutsch zu lernen, und später dann in eine richtige Schulklasse.
„Ich kenne die Familien“, sagt der pensionierte Lehrer Hans Dall, der an der Vogt-Kölln-Straße den Eltern ehrenamtlich Deutschkurse gibt. „Die Kinder kommen oft dazu, weil deren Lerngruppe schon schnell vorbei ist.“ Zurzeit gibt es in den rund 30 EAs der Stadt 102 solcher Lerngruppen. Üblicherweise soll es pro Woche 25 bis 30 Unterrichtsstunden geben. Doch an der Vogt-Kölln-Straße waren es bisher viel weniger, das räumt auch die Schulbehörde ein.
Die elf- bis 14-Jährigen zum Beispiel lernen nur von 10.40 Uhr bis 13.10 Uhr. Je anderthalb Stunden Deutsch und Mathe, in einem kleinen Raum, in den nicht einmal Tische zum Schreiben passen, berichtet Dall.
Als "überresident" gelten Menschen, die über sechs Monate in einer Erstaufnahme-Unterkunft leben.
Zurzeit leben in Hamburg 7.212 Personen mit diesem Status, darunter 966 Kinder von null bis fünf und 904 Kinder von sechs bis 16 Jahren.
Die Gesamtzahl hat sich nach dem Lagebericht des Flüchtlingskoordinators kaum verringert. Im September waren es 7.346, im August 7.897, im Juni 9.562, im Mai 8.373. Monatlich kommen neue Fälle hinzu.
Er findet das „pädagogisch unsinnig“ und hat sich schon in den Sommerferien an die Behörden gewandt. Das Schulsystem der Stadt für geflüchtete Kinder habe zwei Stufen, erhielt er zur Antwort. Der Übergang in eine wohnortnahe Schule sei erst geplant, wenn die Familien „in eine dauerhafte Unterkunft“ umzögen. An der Vogt-Kölln-Straße finde Unterricht aus organisatorisch und personellen Gründen leider nur verringert statt. Man bemühe sich um eine „Ausweitung“, versprach die Behörde Dall.
Nun sind schon Herbstferien, doch geändert hat sich nichts. Die Behörde verspricht allerdings einen neuen Kurs. Dass so viele Kinder noch nicht in die IVK-Klassen oder Regelklassen gingen, „ist eine Situation, die uns auch nicht gefällt“, sagt Uta Köhne, die zuständige Abteilungsleiterin bei der Schulbehörde. Eine Ursache sei, dass sich die Fertigstellung der Folgeunterkünfte verzögere.
Man beginne deshalb, Schüler der Sekundarstufe I – also zwischen zehn und 15 Jahren – auch schon an eine IVK-Klasse zu geben, wenn sie noch in einer Erstaufnahme wohnen. Dazu gab es vor den Herbstferien ein Treffen mit Schulleitungen. „Wir bemühen uns, im Sinne der Kinder, so abgestimmt wie möglich zu handeln“, sagt Köhne. Auch suche man Schulen, die verkehrsgünstig liegen, um den Kindern bei einem Umzug den Schulwechsel zu ersparen. Teilweise sprächen die Kinder so gut deutsch, dass sie gleich in die Regelklasse gehen könnten.
Wenn die älteren Schüler umgeschult seien, werde man den Raum nutzen, um das Angebot für die Grundschüler auszubauen. Die sollen weiter in den Unterkünften lernen.
Er verstehe, dass nicht alles aus dem Stand funktioniere, sagt Ex-Lehrer Hans Dall. Aber es müsse für die Kinder schnell gehen. „Das ist eine Frage des politischen Willens und von großer Wichtigkeit für die Integration.“
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