piwik no script img

Kommentar Parlamentswahl in RusslandDer totale Stillstand

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Putins Staatspartei erhält über die Hälfte der Stimmen – damit ist der Weg in die alleinige Herrschaft frei. Protest regt sich im apathischen Volk kaum.

Regieren ohne Opposition: Russlands Ministerpräsident Medwedew (l.) und Präsident Putin Foto: dpa

D ie Kremlpartei „Einiges Russland“ (ER) fuhr ein überwältigendes Ergebnis ein. Mehr als die Hälfte der Wähler gab der Staatspartei bei der Dumawahl ihre Stimme. Zählt man die Direktmandate noch hinzu, erreicht die Funktionärspartei eine verfassungsändernde Dreiviertelmehrheit. Mehr war wirklich nicht rauszuholen – und das trotz Wirtschaftskrise und ohne Aussichten auf eine baldige Besserung. Selbst die System-Stützen aus Kommunisten und Nationalisten konnten aus der traurigen Lage keinen Nutzen ziehen, im Gegenteil, sie mussten im Vergleich zu den Wahlen 2011 sogar noch Federn lassen.

Für die demokratische Opposition sieht es noch düsterer aus. Sie verschwindet mit dieser Wahl in der Versenkung. In Zukunft wird sie es noch schwer haben, überhaupt Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Degradierung der Andersdenkenden zu einem bedeutungslosen Dissidentenklüngel war von vornherein Ziel des Kreml.

Der Weg in die allumfassende Herrschaft ohne jegliche Alternative dürfte damit nun endgültig frei sein. Nicht zufällig wurde der Wahlerfolg von der Ankündigung begleitet, der Geheimdienst werde wieder den alten Status aus Sowjetzeiten erhalten: als Ministerium der Staatssicherheit.

Protest dagegen regt sich kaum. Ein Teil der Gesellschaft ist müde und apathisch. Der andere verleiht der Obrigkeit die notwendige Legitimität. Manch einer leidet überdies am Stockholm-Syndrom. Auch diesmal wurde bei der Wahl manipuliert, geschummelt und betrogen. Doch selbst eine noch so einwandfreie Abwicklung des Wahlprozederes würde an der gesellschaftlichen Konstellation und dem Verhältnis von Führung und Gefolgschaft wenig ändern. Die Apathischen sind nicht automatisch Kremlgegner. Über geringen Einfluss mögen viele enttäuscht sein. Doch geht es ums Größere oder gar Russlands Größe kann die Bevölkerung mit Widersprüchen leben.

Mit dieser Wahl zieht endgültig Stillstand in Russland ein, der auch die nächste Präsidentschaftsperiode Wladimir Putins bis 2024 noch überdauern könnte. Und Stillstand im Innern verheißt stürmische Winde in der Außenpolitik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die Wahl des russischen Parlaments sollte man den Russen ueberlassen.

    Die wissen naemlich am Besten, was das Richtige fuer sie ist.

    Meinungsfreiheit bedeutet, dass man eine andere Meinung haben darf als vom Westen vorgegeben.