: Immer voll modern
ARCHITEKTUR Berlin kann mit dem größten Spektrum an Bauten von Walter Gropius punkten. Sein Erbe ist Thema der „Triennale der Moderne“ mit rund 40 Veranstaltungen ab Mittwoch. Für Fans von Wohnmonstern und Treppenläufen ist auch etwas dabei
von Rolf Lautenschläger
Unter Architekten gibt es eine Redewendung, die nicht nur Gutes meint: „Den härtesten Gropius geben“ bedeutet, dass ein neu gebautes Haus nicht nur modern, aus Beton, Stahl und Glas, sondern im Design auch abstrakt und sachlich, weiß, schnörkellos klar und mit Flachdach realisiert worden ist. Das Bauhaus in seiner strengsten Form lässt grüßen.
Der Architekt und Bauhaus-Direktor Walter Gropius (1883–1969) ist nicht unschuldig an diesem Satz. Von den ganz harten Sachen, die er geplant hat, stehen auch einige in Berlin. Gropius hat etwa die Siemensstadt (1929) oder die Neuköllner Trabantensiedlung „Gropiusstadt“ (1962–75) entworfen. Als Mittelpunkt dort baute der Architekt das Hochhaus „Ideal“, mit 31 Stockwerken das höchste Wohnhochhaus Berlins. Manchmal liest man in der Zeitung noch etwas über den Turm, etwa wenn sich wieder jemand vom Dach gestürzt hat oder der jährliche Treppenlauf, der „Tower Run“, die 465 Stufen hinaufgeht. Die Bestzeit steht bei 3:16 Minuten.
Die berühmt-berüchtigte Gropiusstadt liegt auf der Route der diesjährigen Berliner Architektur-Triennale mit dem Titel „Walter Gropius und das Erbe der Moderne“, die von Mittwoch bis Sonntag (5.–9. Oktober) kommender Woche mit rund 40 Veranstaltungen aufwartet. Die Bauverwaltung und das Landesdenkmalamt haben als Initiatoren viel in das Programm und in Führungen investiert. Denn Berlin ist nach Weimar und Dessau der diesjährige Endpunkt in der Reihe „Triennale der Moderne“. Da kann man punkten.
Seit 2013, so erklärt Annemarie Jaeggi, Direktorin des Bauhaus-Archivs, rücke die Triennale „alle drei Jahre die Architektur der klassischen Moderne und die Unesco-Welterbestätten an den drei Bauhaus-Standorten in den Blick der Öffentlichkeit“. Berlin könne dabei mit das größte Spektrum an Bauten anbieten. 2019, zum 100. Jubiläum der Bauhaus-Schule, sollen die Architektur-Ikonen von dem Städtetrio dann gemeinsam gefeiert werden.
Dass die Gropiusstadt in dieser Woche den Part hat, weniger den Gropius als vielmehr „das Erbe der Moderne“ und die problematische Fortschreibung des Neuen Bauens in Berlin zu thematisieren, ist evident. Mehr kommt es der Triennale darauf an, die Berliner Zeiten des Bauhaus-Erbauers, seine Entwicklung und die seiner Zeitgenossen Bruno Taut oder Hugo Häring zu erhellen. Diese revolutionierten ab 1920 den Wohnungsbau in Berlin etwa mit der innovativen Wohnsiedlung „Onkel Toms Hütte“ (ab 1926) in Dahlem.
Die Kunstbibliothek veranstaltet am Donnerstag (6. 10.) ab 14 Uhr das Symposium „Walter Gropius in Berlin“. Darin alles über den Bauhaus-Chef jenseits von Weimar, Dessau und Boston.
Die Architektenkammer Berlin lädt am Freitag (7. 10.) ab 17 Uhr zu diversen Vorträgen und dem Film „Bauhaus – Modell und Mythos“ ein.
„Die Fassade der neuen Zeit macht mich unsicher“ – Joseph Roth und die moderne Architektur, Literatur und Musik um 1930 sind am Samstag (8. 10.) ab 19.30 Uhr in der Siemensstadt zu erleben.
„Trautes Heim“ ist der Titel einer Führung am Sonntag (9. 10.) durch das Unesco-Welterbe Hufeisensiedlung und des mietbaren Museums „Trautes Heim“.
Die kostenlose App „Gropius to Go“ kann ab Freitag (7. 10.) aus den App-Stores für iOS und Android als digitaler Gropius-Stadtführer heruntergeladen werden.
Informationen zum Programm, zu allen Veranstaltungen, Orten, Treffpunkten und Führungen finden sich unter triennale-der-moderne.de. (rola)
Gropius ist ein Berliner
Walter Gropius wuchs in Berlin auf, baute jedoch erst nach seiner Dessauer Zeit mit den wunderbaren Bauhaus-Architekturen (Schule, Studenten- und Meisterhäuser 1925–29) vornehmlich an der Spree.
In der Weimarer Republik entstanden die Siedlung Siemensstadt und das Haus Lewin (1929) in Dahlem im Stil der Neuen Sachlichkeit. Viel Glas, Licht und Sonne, Farbigkeit, Funktionalität, aber auch schöne offene Grundrisse waren Gropius’ Themen am Bau.
Trotz der Schließung des Bauhauses durch die Nazis 1933 und der Emigration nach England 1934 und drei Jahre später in die USA realisierte der Architekt nach 1945 insgesamt mehr als ein Dutzend Gebäude in Berlin. Die stehen heute vielfach unter Denkmalschutz.
Wegbereiter der Moderne
„In Berlin lässt sich das Werk von Walter Gropius vom Expressionismus über die klassische Moderne bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg am deutlichsten nachvollziehen“, ist Berlins Landeskonservator Jörg Haspel überzeugt. In seinen letzten Jahren errichtete Gropius unter anderem den neunstöckigen, konkav geschwungenen Wohnblock im Hansaviertel (1957). Als typisches Beispiel seiner „späten Moderne“ gilt auch sein Entwurf (1964) für das Bauhaus-Archiv mit den markanten Sheddächern und luftigen Ausstellungspavillons.
Es geht aber noch um mehr: „Gropius ist der Architekt des 20. Jahrhunderts, der mehr als jeder andere moderne Baukünstler auf der Welterbeliste vertreten ist“, betont Haspel. Damit spiele er die bedeutsamste Rolle als „Wegbereiter der Moderne für das Unesco-Welterbe“ – noch vor Le Corbusier. Gropius hat also viel damit zu tun, dass die Berliner Wohnsiedlungen der Moderne aus den 1920er Jahren – die nicht immer gut gelitten waren – seit 2008 zum Welterbe zählen.
Bleibt die Gropiusstadt. Doch auch dort hat der Architekt jenseits des Monströsen 1968 ein schönes Gebäude errichtet. Die kleine Walter-Gropius-Schule, ein Ensemble aus mehreren zwei- und dreigeschossigen Pavillons, funktioniert noch heute als Schulbau. Schulen konnte Gropius eben.
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