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Atomkraft in GroßbritannienRaus mit den Milliarden!

Großbritannien genehmigt nach 20 Jahren wieder den Bau neuer Reaktoren. Dabei wird Hinkley Point C einfach nur teuer.

2025 soll Hinkley Point C in Betrieb gehen Foto: reuters

Dublin taz | Hinkley Point C kommt. Am Donnerstag hat Premierministerin Theresa May grünes Licht für dieses erste neue Atomkraftwerk in Großbritannien seit mehr als 20 Jahren gegeben.

Bauen wird die beiden 18 Milliarden Pfund (etwa 21,15 Milliarden Euro) teuren Druckwasserreaktoren der französische Staatskonzern EDF, chinesische Firmen sind zu 33 Prozent beteiligt. In Betrieb gehen sollen sie 2025 und dann Strom für sechs Millionen Haushalte liefern – zu einem maßlos überhöhten Preis: Die Regierung garantiert über 35 Jahre 92,50 Pfund pro Megawattstunde, aktuell knapp 107 Euro. An den europäischen Strombörsen sind für diese Einheit derzeit gerade mal 29 Euro fällig.

Dass May das Projekt nun absegnete, hat mit der Post-Brexit-Angst ihrer Regierung zu tun. Nachdem die Briten beschlossen haben, aus der Europäischen Union auszutreten, glaubt sie, nicht auf China als Handelspartner verzichten zu können. Deshalb hatte Peking leichtes Spiel, als Energieminister Greg Clark Ende Juli den Bau von Hinkley Point wegen Sicherheitsbedenken vorübergehend auf Eis legte: Chinas Botschafter in London, Liu Xiaom‌ing, musste nur warnen, dass die Beziehungen beider Länder auf dem Spiel stünden.

Das „Ja“ zu Hinkley Point ist mit minimalen Auflagen verbunden. So darf EDF nur verkaufen, wenn die britische Regierung zustimmt. Ausländische Unternehmen müssen sich einem Sicherheitscheck unterziehen, wenn sie in sensible Infrastrukturprojekte investieren wollen.

Angst vor Blamage

In einer Presseerklärung der Regierung heißt es, damit bleibe Großbritannien einer der „offensten Märkte der Welt“. Aber die Bürger könnten beruhigt sein, dass „ausländische Direktinvestitionen im besten Interesse des Landes“ sein werden.

Greenpeace-Geschäftsführer John Sauven vermutet, die Regierung habe Angst gehabt, sich mit einer Absage politisch zu blamieren. „Diese Entscheidung ist aber nicht das große Finale der politischen Schmierenkomödie dieses Sommers“, sagt er. „Dafür gibt es noch zu viele finanzielle, juristische und technische Probleme.“

Die Regierung wollte sich nicht mit einer Absage blamieren

John Sauven, Greenpeace

Unternehmen und Gewerkschaften geht es vor allem um Arbeitsplätze. Und da sind die Projektionen unterschiedlich: Brian Rye, Geschäftsführer der Baugewerkschaft, sagte, Hinkley Point sei lebensnotwendig für die Bauindustrie, die nach dem Brexit-Referendum Einbußen erlitten habe. Einige französische Gewerkschaften befürchten jedoch auch, dass EDF an Hinkley zugrunde gehen könnte. Der Konzern hat sich bei ähnlichen Projekten in Frankreich und Finnland als unfähig erwiesen, Zeit- und Kostenrahmen einzuhalten.

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3 Kommentare

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  • Die Frage ist, wie lange sich GB den Brexit noch leisten kann:

    All die Folgen der Pfundabwertung, die ausbleibenden Investitionen, die 10 Mrd die alleine die Austrittsverhandlungen mit der EU kosten, vermutlich weitere 10 Mrd für jedes weitere Abkommen außerhalb der EU, die gestrichenen Forschungsgelder und für Agrar, der Verlust der Bonität, der Verlust des Bankenplatzes und der Brexodus, bei dem derzeit 600.000 Briten überlegen dieses Land für immer zu verlassen.

     

    Und jetzt auch noch der völlig überteuerte Strompreis und eine überflüssige und höchst riskante Technologie. For what?

     

    Dabei ist der Brexit noch gar nicht vollzogen. Vermutlich wird dieser ohne Handelsabkommen mit den Briten ausgehen, da ihnen das Ausländer-Raus wichtiger ist als alles andere auf der Welt. Dann brechen 50% des Aussenhandels weg. Und dann?

     

    Auch ohne Brexit befinden sich die Britischen Banken aufgrund der enormen Verschuldung der Insel und der lockeren Bankenaufsicht in einer existentiellen Krise. Der Brexit ist, als ob man mit einem Flammenwerfer im Benzinlager spielt.

     

    Da wird am Ende wohl wieder der Rest der EU dafür aufkommen müssen. Die Rechten werden sich keiner Schuld bewußt sein. Steht die AfD eigentlich immer noch zum Dexit oder versteckt sie sich wieder zu einem Thema, wie die Petry vor dem Morgenmagazin?

  • "Unternehmen und Gewerkschaften geht es vor allem um Arbeitsplätze."

    Dieses Denkmuster findet man auch bei den deutschen Sozialdemokraten. Am Beispiel von Hinkley Point C sieht man die Perversion dieser Gedanken, die jeden Bezug zum gesunden Umfeld verlieren und ein Eigenleben entwickeln, das dem Gesamten schadet! In Deutschland nehmen die Kohlekraftwerke den Platz von Hinkley Point C in der Gedankenwelt der Sozialdemokraten ein. Arbeitsplätze als Dogma, als Rechtfertigung für Gott und die Welt, als Rechtfertigung für Rüstungsgüterproduktion weit in den Überfluss, als Rechtfertigung von Kohlekraftwerken weit über die notwendige Zeit hinaus, als Rechtfertigung von mangelhaften Dieselkonzepten bis hin zur Tötung von Menschen durch die Abgasstoffe. Hier zeigt sich die Krankhaftigkeit solcher isolierten Insel-Gedanken und nicht realistischer Dogmas.

    • @Georg Marder:

      ich versteh sowieso nicht: Die Jobs im Atomkraftwerk zerstören die Jobs und die Entwicklung bei den Erneuerbaren.

       

      Das ist bestenfalls ein Null-Summenspiel bei der Beschäftigung. Bei den Erneuerbaren ist mehr ManPower als Arbeitsplätze pro kWh als bei den sündteuren AKWs