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Debatten-Reihe „Warum AfD?“ – Teil 1Taktisch AfD wählen?

Kommentar von Martin Reeh

Die Linke muss Liberalität und Soziales wieder zusammen denken, wenn sie den Aufstieg der Rechtspopulisten verhindern will.

Was passiert, wenn Mieten kontinuierlich steigen, aber das eigene Gehalt nicht? Foto: dpa

A ngenommen, Sie sind Mitte 40, seit 15 Jahren Altenpflegerin in Berlin, alleinerziehend, 2.800 Euro brutto plus Kindergeld. Sie wohnen seit Ewigkeiten in Neukölln, eine 3-Zimmer-Wohnung für Sie und die beiden Kinder. Die Miete betrug früher 650 Euro, heute liegt sie bei 850, nachdem ein dänischer Immobilienhai Ihr Haus aufgekauft hat. Nach Neukölln wollte früher niemand. Jetzt bezahlen Immobilienfirmen dort Mondpreise für Häuser.

Manchmal schlafen Sie schlecht: Der Immobilienhai will Ihr Haus modernisieren, die Miete könnte nochmals um 200 Euro steigen. Vielleicht wäre das noch zu schaffen. Aber selbst wenn – für später sehen Sie schwarz: Rot-Grün und die Große Koalition haben Ihre Rentenansprüche gekürzt. Steigende Mieten bei sinkenden Renten: Im Alter, so fürchten Sie, werden Sie in die Platte nach Marzahn umziehen müssen. Dorthin, wo Sie niemanden kennen und niemals hinwollten.

Wird Berlin wie San Francisco?

Seit Wochen überlegen Sie, was Sie am 18. September in Berlin wählen sollen. Die SPD, die Sie früher angekreuzt haben, verspricht zwar (ebenso wie Grüne und Linke) bezahlbare Mieten in der Stadt. Aber das Mietrecht ist Bundessache, dort blockiert die Union eine wirksame Mietpreisbremse. Und gleichzeitig ziehen immer mehr Menschen nach Berlin, 2030 sollen es 260.000 mehr als heute sein, sagt der Senat. Für öffentlichen Wohnungsbau gibt Berlin heute wieder Geld aus, den Großteil des Neubaus sollen aber private Investoren stemmen.

Und was ist, wenn die Zuwachsprognosen zu niedrig angesetzt sind? Schließlich wirbt der Senat um den Zuzug von immer mehr Start-up-Firmen, etwa jetzt in London nach dem Brexit. In San Francisco haben die gut bezahlten Angestellten von Google & Co. die Immobilienpreise zum Explodieren gebracht.

Manchmal, in Ihren schlaflosen Nächten, haben Sie daher eine finstere Idee: Sie wählen AfD. Denn wenn Sie SPD, Grüne oder Linke wählen, so rechnen Sie sich aus, würde alles routiniert weitergehen: Ein paar mehr öffentliche Wohnungen hier, ein bisschen mehr Mieterschutz da, während die obere Mittelschicht der Welt weiter ins liberale Berlin drängt.

2006, mit dem sogenannten Fußball-Sommermärchen, habe der Run auf Berlin angefangen, hat Ihnen ein SPD-Landespolitiker mal gesagt. „Die Welt hat gesehen, die Berliner sind gar nicht so unsympathisch. Tolle Stadt.“ Als Berlin für andere zur „tollen Stadt“ wurde, begannen Ihre Sorgen.

Und deshalb könnten Sie am Sonntag zocken: Regieren sollte die AfD nicht, von Mieterschutz und Sozialpolitik hält sie nicht viel. Was aber würde passieren, wenn die AfD auf, sagen wir, 15 bis 20 Prozent käme?

Auf Facebook, so hoffen Sie, würden besorgte Debatten losgehen: Können wir noch nach Berlin ziehen, wo dort doch so viele rechtsradikal wählen? Die Start-ups würden überlegen, ob sie nicht in London bleiben. Und die Hipsterszene von New York bis Portland könnte Havanna statt Berlin als „Place to be“ ausrufen. Der Druck auf den Berliner Wohnungsmarkt ließe nach. Und bei der SPD würden Debatten losgehen: Was müssen wir tun, damit wir die abgewanderten Wähler zurückholen? Mehr Mieterschutz, mehr Rente? Die SPD wird ja stets dann sozialer, wenn man sie nicht wählt.

Die SPD wird ja stets dann sozialer, wenn man sie nicht wählt

Am Ende werden Sie, trotz schlafloser Nächte, natürlich nicht die AfD ankreuzen. Schließlich sind Sie keine Zynikerin und würden nie eine Partei wählen, die darüber nachdenkt, auf Flüchtlinge zu schießen, nur damit Sie selbst nicht nach Marzahn umziehen müssen.

Dennoch lässt sich mit diesem Gedankenspiel wunderbar illustrieren, warum die AfD und andere rechtspopulistische Parteien in Europa heute erfolgreich sind: Das Liberale und Soziale gehen nicht mehr Hand in Hand.

Städte wie Berlin folgen heute der „creative class“-Theorie des Ökonomen Richard Florida: Sie wollen möglichst liberal sein, um weltweit die kreativen Köpfe anzuziehen, weil nur so Wachstum generiert werden könne. Wenn die „creative class“ kommt, bringt sie einen Immobilienhype mit sich, der einen bisher halbwegs sozial gerechten Wohnungsmarkt zerstört – jedenfalls, wenn es weder ausreichenden Mieterschutz noch einen großen öffentlichen Wohnungssektor gibt. Beides hat Berlin nicht, und deshalb leiden langjährig Beschäftigte unter dem Berlin-Boom.

In den späten 60er und 70er Jahren, als der erste Modernisierungsschub durch Europa rollte, gingen Liberalisierung und Ausbau des Sozialstaats noch parallel: Scheidungen und Abtreibungen wurden erleichtert, die Strafbarkeit von schwulem Sex nach Paragraf 175 weitgehend aufgehoben. Gleichzeitig stiegen die Löhne, die Leistungen der gesetzlichen Versicherungen wurden verbessert.

Liberaler und unsozialer

Der Wendepunkt kam ab Mitte der 70er Jahre, als die Wirtschaft und mit ihr der Keynesianismus als sozialdemokratische Wirtschaftstheorie in die Krise gerieten. Die SPD wandte sich einer nur leicht abgemilderten Form des Neoliberalismus zu. Deutschland wurde gleichzeitig liberaler und unsozialer: So verschlechterte Rot-Grün Arbeitslosen- und Rentenrecht, liberalisierte aber zugleich das Staatsbürgerschaftsrecht und ermöglichte eine Lebenspartnerschaft für Schwule und Lesben. Damit entstand eine Lücke der Repräsentanz: Wen sollten diejenigen wählen, die einen besseren sozialen Schutz brauchten, als ihnen SPD und Grüne zugestanden? Die Linkspartei konnte dieses Vakuum nur zum Teil füllen, weil sie bei ihren Regierungsbeteiligungen im Osten eine ähnliche Politik betrieb wie die SPD.

Das Vakuum blieb. Und nach Jahren, in denen Linksliberale das Liberale stärker und das Soziale schwächer werden ließen, lag es nahe, dass eine Partei gewinnt, die ihren sozialen Hass auf die liberalen Eliten und die von ihr geförderten Minderheiten projiziert: die AfD. Die AfD ist keine sozialdemokratische Partei im nationalen Gewand. Aber sie hätte niemals so stark werden können, wenn nicht die linken Parteien die Interessen der sogenannten kleinen Leute geopfert hätten.

Wenn die liberale Linke die AfD kleiner bekommen will, muss sie daher liberale und soziale Politik wieder zusammen denken. Beschränkt sie sich darauf, die AfD-Wähler als Rassisten oder Nazis zu beschimpfen, könnte sie noch ein blaues Wunder erleben.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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28 Kommentare

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  • Bischen krank ist das ja schon ... die AfD wählen damit Berlin wirtschaftlich absteigt und mit nachfolgendem Preisverfall bei Mieten u.a.

     

    Andereseits finde ich es auch krank, das Wachstum Berlins (+ 260.000 EW in 13 Jahren Wow!) und die Entwicklung zur Mega-Monster Metropole über Firmenfreundliche Billigstmieten auch noch weiter zu fördern und ländliche Regionen stattdessen menschlich und wirtschaftlich ausbluten zu lassen.

     

    Es fehlt an überregionalen raumordnerischen und wirtschaftlichen Konzepten in Deutschland.

  • Zu bequem sind sie geworden, die Politiker der Altparteien. Sie hören nicht mehr auf die Menschen. Sie geben sich keine Mühe die positiven Seiten von Europa auf zu zeigen. Sie fahren einen "Basta"-Kurs oder sie wackeln hin und her zwischen Pro und Anti-TTIP, je nachdem. Überzeugend ist das alles nicht. Ich wünsche mir eine Europapartei, die soziale Themen als erstes aufgreift, wie im Artikel genannt. (Julie Zeh mal fragen, ob sie mitmachen will) Sich dann mal mit der digitalen Entwicklung auseinandersetzt. (Ranga Yogeshwar mal fragen, ob er mitmachen will). Sich mit Bildung auseinandersetzt, so was von schlechter Ausbildung wie in Deutschland.... und dann ist das Thema Einwanderung auf einmal Nebensache. DAs läuft. Das fügt sich alles. Braucht ne Weile und dann klappt das. Aber all das im Artikel angesprochene, das ist wirklich richtig ernst.

  • Danke für diesen Beitrag! Sie sprechen mir aus der Seele.

     

    Hier übrigens ein Link zu einem guten Flyer "Mut zur Wahrheit!

    Das will die AfD

    wirklich..."

    http://tacheles-sozialhilfe.de/index.php?id=159&mid=45&aC=cc15c7d5&jumpurl=5

     

    u.a.

     

    "Die AfD will NICHT:

    - Dass Arbeitgeber sich bei Renten-,

    Gesundheits- und Sozialversicherungen

    fair beteiligen

    - armutsfeste Renten und Sozialgelder

    - einen auskömmlichen Mindestlohn

    - Erbschaftssteuer auf große Vermögen

    und Konzerne

    - Vermögenssteuer für Reiche

    - Besteuerung von Börsenspekulation

    Die AfD macht Politik FÜR:

    - Firmenerben

    - Großverdiener

    - Großkonzerne

    - nicht berufstätige deutsche Frauen mit

    mehr als drei Kindern

    - Schwulenhasser

    - Ausländerhasser

    - ultrakonservative Christen"

     

    Nur leider steht dort auch nicht, welche Partei denn alternativ zu wählen wäre, die mir keine schlaflosen Nächte mehr beschert, was Wohnung und Auskommen angeht.

     

    SPD und GRÜNE sind es leider auf jeden Fall nicht (mehr).

  • Guter Kommentar.

    Dass viele Menschen ernsthaft glauben, der Erfolg der AfD liege an den zu uns gekommenen Geflüchteten, überrascht mich immer wieder. Wenn SPD und Linke das Problem erkennen und ernstnehmen, umso besser - auch wenn es bedauerlich ist, dass es dazu erst eines Aufstiegs der Rechten bedarf. Wir sollten nur hoffen, dass es keinen plötzlichen Wirtschaftseinbruch gibt und sie für diesen Kurswechsel genug Zeit haben.

     

    Dorothea Pauli spricht einen weiteren wichtigen Punkt an: Natürlich kann 'sozial' heute nicht mehr höhere Löhne, Konsum und Wachstum bedeuten. Es muss eine neue, modernere und nachhaltige Verwirklichung des Versprechens sozialer Gerechtigkeit geben. Etwa durch garantierte soziale Grundrechte und die Förderung dezentraler Netzwerke zur effizienten Bedürfnisbefriedigung.

     

    Übrigens: Die IL, derzeit die wohl wichtigste linke Gruppierung, argumentiert unter dem Titel 'Die soziale Frage ist offen. Lassen wir sie nicht rechts liegen!' sehr ähnlich.

    • @Ulf Kunze:

      Die Wahlerfolge der AfD liegen nicht nur an den Flüchtlingen ja, aber was ich beobachte ist, dass viele Wähler mit der AfD der Kanzlerin Merkel einen Denkzettel verpassen wollen für den 'Wir schaffen das'-Ausspruch. Die medial propagierte "Flüchtlingsflut" ist quasi der Katalysator gewesen. Die Leute sind gekränkt, weil sie denken sie müssten für Fremde 'schaffen', wo sie mit ihren eigenen Bedürfnissen beschäftigt und oft überfordert sind. Es war auch ein gewisser 'Aha'-Moment, in dem sich für die Leute der elitären Bevormundung ein (freilich verzerrtes) Gesamtbild ergeben hat. Natürlich baut die Aversion vor Flüchtlingen auf länger bestehenden sozialen Ängsten auf, aber der reaktionäre Gestus macht viele Prozent der Afd-Stimmen aus und der erwachende Rassismus ist letztlich eine Problematik die den Alltag eher bestimmen wird als ökonomisch/soziale Probleme.

  • Dieser Artikel beschreibt, da bin ich absolut ehrlich, exakt wie ich zu diesem Thema denke.

     

    Nur anders als hier dargestellt wurde, habe ich die AfD gerade gewählt.

     

    Ich weis, euch schmeckt das nicht. Trotzdem vielen Dank für den Artikel.

  • "Wenn die liberale Linke die AfD kleiner bekommen will, muss sie daher liberale und soziale Politik wieder zusammen denken. "

     

    nicht nur denken davon wird keiner satt.

  • "Die Linke muss Liberalität und Soziales wieder zusammen denken, wenn sie den Aufstieg der Rechtspopulisten verhindern will."

     

    Wie wäre es, wenn zur Abwechslung auch mal die anderen Liberalität und Soziales denken täten und Herr Reeh nicht für gottgegeben hinnehmen täte, dass neoliberal = normal ist?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Wer AfD wählt, weil er sich berechtigte Sorgen macht um seinen sozialen Status, um die Bezahlbarkeit seiner Wohnung und so weiter und die "braunen Dumpfbacken" dabei in Kauf nimmt, wählt sehenden Auges eine völkische und rassistische Partei und ist somit genauso für das Ergebnis der Wahl verantwortlich wie diejenigen Wähler der AfD die sie wegen ihrer Alleinstellungsmerkmale:

     

    - Rassistisch, völkisch, sozial- und familienpolitisch reaktionär -

     

    wählen.

     

    So wie die Wähler der NSDAP die die Partei wegen ihrer hoffnungslosen sozialen Lage gewählt haben eben auch geholfen haben, Hitler an die Macht zu bringen. .

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Jaja - und wer die LINKE wählt verkauft auch seine eigene Familie an der Staat.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        Wenn man das was die AfD propagiert vielleicht mal ausnahmweise nicht mit geschlossenen Augen liest, dann weiß man was die wollen und wo die hin wollen.

         

        Sich dann dumm zu stellen und zu tun als wäre das nicht so, das ist zumindest kein Zeichen von überbordender Intelligenz.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Das müssen Sie uns erklären, Herr THOMAS_BA_WÜ.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Vielleicht liege ich ja falsch, aber ich verstehe das so: So wie LINKE-Wähler nicht ihre Familie an den Staat verkaufen, sind AfD-Wähler nicht völkisch und keine Rassisten, sondern nur irgendwie angepisst.

  • Eine sehr gute Analyse, kann ich fast zu 100% zustimmen. Und, jawoll, ich gebe zu, bei der letzten Bundestagswahl auch AfD gewählt zu Haben. Warum? 2 Gründe: der erste, wichtigste, war, daß die SPD sich von vornherein einer alternativen Machtoption (-> Rot-Rot-Grün) verweigert hat, es also (leider) alternativlos war, Merkel als Wahlergebnis zu bekommen. Der zweite Grund war mein grosser Missmut über den Euro-Betrug, hier schien mir die Wahl der damals wirtschaftskompetenten Euro-Gegner der AfD das Geeignete Ausrufezeichen gegen den Euro.

    • @WBD-399:

      Die AfD ist eine neoliberale Partei und daher auch eine des Euro und der EU.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        naja, damals war es die ANTI-EURO-PARTEI...

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Die AFD ist also eine Pro-Europa-Partei.

  • Das Problem ist doch aber, dass der soziale Fortschritt im Westen in den letzten 100 Jahren immer auf dem Rücken der Arbeiter*innen im Rest der Welt stattgefunden hat. All der Wohlstand und Massenkonsum war nur möglich weil Europa und Nordamerika mächtig genug waren zu absoluten Dumpingpreisen den Planeten leer zu kaufen.

    Diese Zeiten scheinen nun (Spaghettimonster sei Dank) langsam dem Ende entgegen zu gehen.

    Ein zurück zum Bestechen der hiesigen Arbeiterklasse mit billigem Konsum wird aber somit immer unwahrscheinlicher.

    Wenn wir also nicht in barbarische Verteilungskämpfe abgleiten wollen, müssen wohl neue, postkapitalistische Lösungen her.

  • Ich darf zitieren:

    "...und bei der SPD würden Debatten losgehen: Was müssen wir tun, damit wir die abgewanderten Wähler zurückholen? Mehr Mieterschutz, mehr Rente? Die SPD wird ja stets dann sozialer, wenn man sie nicht wählt..."

     

    DA! Da isser! Der Denkfehler.

     

    Wenn alle Schafe die immer SPD gewählt haben, kahlrasiert sind, dann wird die Partei eher umbenannt, als das sie die Schafschere beiseite legt.

  • Guter Artikel, danke.

     

    Problem erkannt, Gefahr aber nicht gebannt. Die Wahl in Berlin am 18. September zeigt das Dilemma auf linker Seite. Es gibt keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Gentrifzierung. Schlimmer noch: Die Parteien, die maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt waren, heißen SPD und Linkspartei. Deren Aussagen im Wahlkampf zum Thema sind läppisch. Keiner hat Lust, sich ernsthaft mit Kapitalinteressen anzulegen.

     

    Es mag richtig sein, dass die Union auf Bundesebene eine wirksame Mietpreisbremse verhindert. Aber die SPD ist seit der Agendapolitik eine neoliberale Partei, erwarten wir da mal nicht zuviel. Und eine "linke" Mehrheit, wenn man das so nennen will, existiert im Bundestag seit 2013 und davor von 2005 bis 2009.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Quer durch alle Medien, hierzulande und auf der Welt, findet eine Ursachentrennung statt. Dass Leute wie Trump, Marine LePen, UKIP, AfD, PiS etc. emporsteigen wird uni sono dem schlummernden Rassismus, mangelnder Bildung, Sexismus oder schlicht der unverständlichen Undankbarkeit gegenüber dem Gesellschaftssystem, der auch die heutigen Les Miserables grundsätzlich mit Obdach, Essen und Smartphone versorgt.

    Fast niemals werden tiefergehende ökonomische Ursachen und Zusammenhänge herangezogen. Und sollte es auf der Seite des linken Liberalismus doch jemand wagen, es zu tun, wird es gleich (s. Sanders, Corbyn) von einer Horde der pseudolinken Journalisten niedergeschrieben (S. Guardian, MSNBC, CNN, The WaPo, Spiegel etc.).

    Riesenfehler.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Sie mögen Recht haben - aber bitte, deuten Sie doch an, welche tiefergehnden Zusammenhänge Sie meinen...

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @WBD-399:

        1. Grundsätzliches sinken des Arbeitsvolumens in den reifen Volkswirtschaften

        2. Ersatzarbeit entsthet v.a. als ökonomisch entwertete Tätigkeiten in der Dienstleistung

        3. Dem sinkenden/stangnierenden Einkommen (aus 1. und 2.) stehen relativ stark steigende relevante Lebenshaltungskosten

        4. Diesen Marktmechanismen aus 1.2.und3. setzt die Politik innenpolitisch fast nichts entgegen und verfolgt eher den Pfad der weiteren Globalisierung (Freihandelsverträge)

        5. Die Gewinner dieser Entwicklung ist das gebildetete, dynamische, urbane Milieu, die neben der ökonomischen auch die Meinungsführerschaft inne hat

        6. Die Kritik an den evtl. aufbegehrenden Verlierern dieser Entwicklung wird selten ökonomisch geführt, sonder operiert mit bestimmten gesellschaftlichen Mustern (Trump - weiße Rassisten, Sanders - realitätsferne Träumer, Corbyn - aggressive Spalter).

        • @10236 (Profil gelöscht):

          Danke für die Präzisierung - da haben Sie wirklich Recht !

  • Taktisch AfD wählen oder lieber nicht wählen?

     

    Lieber nicht. Denn koalieren will mit denen keiner, somit wird eher nichts umgesetzt, was die AfD den Wählern verspricht.

     

    Um zu taktieren bzw. zu beeinflussen, ob es zu einer 2er oder 3er Koalition kommt, sollte man lieber die AfD gar nicht wählen.

  • Danke, Martin Reeh, für diesen Artikel!

    Genau dies höre ich im Freundes- und Bekanntenkreis. Sie werden AfD wählen oder gehen nicht zur Wahl. Diese Menschen haben früher SPD oder Grün gewählt.

    Was passiert eigentlich, wenn die AfD bei der Bundestagswahl 35 bis 40 % erhält?

    Die Leute wollen ihren Protest zum Ausdruck bringen, das Wahlprogramm kennen sie nicht. Die braunen Dumpfbacken nehmen sie in Kauf. Wie weit weg ist Politik von den Menschen, wenn dies passieren kann?

    In der Nachbargemeinde wurden 27 Kinder in die 5. Klasse eingeschult. 24 dieser Kinder sind Flüchtlinge oder haben einen Migrationshintergrund. Sie sprechen die deutsche Sprache nicht. Der Lehrerin wird von den männlichen Schülern eindeutig die Frauenverachtung gezeigt. Die Lehrerin sowie die Eltern der 3 deutschen Schüler sind völlig verzweifelt.

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @RiaS :

      Mir persönlich ist zwar niemand bekannt, der AfD wählt und das auch offen zugibt, allerdings kenne ich ebenfalls Menschen, die ernsthaft hoffen, dass die AfD andere Parteien positiv verändern könnte. Meines Erachtens ist diese Hoffnung fatal und unbegründet. Nichtsdestoweniger muss man feststellen, dass es sich bei AfD-Wählern definitiv nicht nur um Rassisten handelt.