: Illegal, illegal, nicht egal!
Rigaer94Die Räumung des linken Hausprojekts bleibt illegal. Die Hauseigentümer scheitern vor Gericht. Das ist auch für Innensenator Frank Henkel ein Problem
von Erik Peter
Die Bewohner der Rigaer Straße 94 haben einen weiteren Sieg errungen. Das Landgericht wies am Mittwoch den Einspruch der Hauseigentümer zurück und bestätigte damit sein Urteil vom 13. Juli.
Richterin Nicola Herbst stellte erneut klar: Die am 22. Juni erfolgte Räumung mehrerer Gemeinschaftsräume in dem Hausprojekt war illegal. Da die Bewohner der Rigaer94 die betreffenden Räumlichkeiten, darunter die Kneipe Kadterschmiede, schon länger als ein Jahr nutzen, hätte der Eigentümer einen Räumungstitel gebraucht. Doch der lag nicht vor.
Vor Prozessbeginn war die Frage in dem weiträumig abgesperrten Gerichtsgebäude: Erscheint dieses Mal die Eigentümerseite? Vor zwei Monaten war der Stuhl der Beklagten leer geblieben. Pünktlich um 10 Uhr – Rigaer94-Anwalt Lukas Theune und sein Mandant warteten schon – erschien dann Markus Bernau, der neue Anwalt des wohl ebenfalls neuen, aber weiterhin unbekannten Eigentümers.
Bernau schilderte zunächst seine Sicht der Dinge: Die Nutzung der umstrittenen Räume in dem linken Projekt sei ein seit zwei Jahrzehnten andauernder Rechtsbruch. Weder die Eigentümer noch die Polizei hätten Zugang zu dem Gebäude. Dann wurde Bernau polemisch: Mit ihre Klage rufen die Bewohner „den Rechtsstaat, den sie sonst nicht bereit sind anzuerkennen. Das ist bigott.“ Richterin Herbst erwiderte kurz: „Aber zulässig.“
Die Richterin machte deutlich, dass alle Einwände gegen das in erster Instanz ergangene Versäumnisurteil unzulässig seien. Ihre Ausführungen wirkten wie eine Rechtsbelehrung für einen Jura-Studenten. Die Zuständigkeit des Gerichts: nicht zu bezweifeln. Der Gegenantrag: förmlich falsch. Besonders zerpflückte sie die Argumentation, die Räumlichkeiten seien nach der Räumung gar nicht in den Besitz der Eigentümer, sondern der beauftragten Baufirma übergegangen. Diese „Variante ist lebensfremd“, urteilte Herbst. Bernau stürmte nach Verhandlungsende wort- und grußlos aus dem Saal.
Das Urteil kommt nicht überraschend – und birgt doch Brisanz. Jetzt ist die Rechtswidrigkeit der Inbesitznahme durch die Eigentümer eindeutig festgestellt. Im ersten Urteil hatte sich die Richterin zwar klar positioniert, faktisch aber kein Urteil in der Sache gesprochen. Da der Anwalt der Eigentümerseite nicht erschienen war, erging ein Versäumnisurteil.
Innensenator Frank Henkel hatte bis zuletzt darauf beharrt: Ein anderes Urteil sei nicht möglich gewesen. Diese Auffassung ist nun obsolet, seine Polizei unterstützte einen rechtswidrigen Einsatz oder machte ihn sogar erst möglich. Am Mittwoch hieß es aus der Senatsverwaltung, man sei nicht Prozessbeteiligte gewesen, nehme das Urteil „lediglich zur Kenntnis“.
Die Eigentümerseite hat mittlerweile eine Räumungsklage beim Landgericht erhoben – durchaus mit Erfolgsaussichten. Ein Einigungsangebot liegt ebenfalls vor; für Theunes Mandanten enthält es jedoch Punkte, die sie „nicht unterschreiben können“. Doch man wolle verhandeln.
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