piwik no script img

Gefälschte Wahl in GabunEin Land in Aufruhr

Der Präsident „gewinnt“ die Wahl. Das Parlamentsgebäude brennt, die Oppositionszentrale wird bombardiert, es soll bis zu 50 Tote geben.

Brutal geht die Polizei in Libreville gegen Unterstützer des Oppositionskandidaten Jean Ping vor Foto: afp

Berlin taz | Mit massiver Gewalt hat Gabuns Regierung in der Nacht zu Donnerstag auf die Massenproteste gegen die Wahlfälschung vom Vortag reagiert. Mindestens 14, möglicherweise bis zu 50 Menschen sollen nach Angaben aus Oppositionskreisen ums Leben gekommen sein, als Armee, Polizei und Präsidialgarde in der Hauptstadt Libreville Jagd auf protestierende Jugendliche machten.

Die Gewalt begann am späten Mittwoch, unmittelbar nachdem die Wahlkommission den Sieg von Präsident Ali Bongo verkündet hatte. Erst feuerte die bereitstehende Antiaufstandspolizei Tränengas auf Demonstranten. Dann kam die Präsidialgarde dazu, es wurde scharf geschossen – und Libreville zum Schlachtfeld.

Alle Symbole der fast ein halbes Jahrhundert alten Bongo-Herrschaft wurden zur Zielscheibe des Protests: Teile des Parlamentsgebäudes brannten lichterloh, das Feuer war in der ganzen Stadt zu sehen. Die Gebäude der Staatsmedien wurden angegriffen, Geschäfte geplündert. Viele Demonstranten flüchteten sich in die Wahlkampfzentrale des Oppositionsführers Jean Ping. Daraufhin griff die Präsidialgarde diese in der Nacht mit Panzerfahrzeugen und Hubschraubern an. Mindestens zwei Menschen sollen dabei gestorben sein, Oppositionelle wurden verschleppt. Ping floh an einen geheimen Ort.

Am Donnerstagmorgen bot sich ein Bild der Verwüstung. „Qualmende Straßensperren, ausgebrannte Gebäude, verkohlte Autowracks“ vermeldete ein AFP-Reporter vom zentralen Triumphboulevard, während Polizisten jeden mutmaßlichen Versammlungsversuch sofort mit Tränengas auflösten. Polizeichef Jean-Thierry Oye Zue sagte, man habe „über 200 Plünderer“ festgenommen. Über Tote wisse er nichts. Es gebe aber sechs verletzte Polizisten „und sicherlich wurden auch Zivilisten verletzt, angesichts der Gewalt, mit der sie uns angriffen.“

Bis Mittwoch lag die Opposition klar vorne

Die Opposition ist überzeugt, dass die Regierung ihr den Sieg bei der Wahl vom 27. August gestohlen hat. Jean Ping, ehemaliger Kommissionschef der Afrikanischen Union und Einheitskandidat der Opposition, lag bis Mittwoch früh laut Teilergebnissen klar vor Amtsinhaber Ali Bongo. Der regiert Gabun seit 2009. Damals hatte er seinen seit 1967 regierenden Vater Omar Bongo abgelöst.

Aber nun hat Gabuns Wahlkommission Bongo zum Sieger mit 49,8 Prozent erklärt, gegen 48,23 Prozent für Ping. Zwischenzeitlich hatte die Kommission für Bongos Heimatprovinz Haut-Ogooué eine Wahlbeteiligung von 99,93 Prozent ermittelt und über 95 Prozent Bongo-Stimmen.

Der Vizepräsident der Wahlkommission trat empört zurück und sprach von „Lügen“. In einer eidesstattlichen Erklärung versicherte Haut-Ogooués Oppositionskoordinator, einige Wahlbeobachter hätten Geld für den Fall eines Bongo-Sieges zugesagt bekommen und deswegen der Fälschung zugestimmt. Die Opposition brachte ihre eigenen Ergebnisprotokolle in Umlauf, aus denen ein Wahlsieg Pings hervorgeht.

Aufklären ließe sich das nur, wenn die Wahlkommission pflichtgemäß die Ergebnisse jedes einzelnen Wahllokals veröffentlichte. Dies fordert jetzt die ehemalige Kolonialmacht Frankreich. Aber Gabuns Wahlkommission stellt sich taub.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Der Staat in Gabun ist seit jeher eine neokoloniale Kleptokratie von Frankreichs Gnaden. Wenn Bongo seine Niederlage tatsächlich anerkennen und abdanken würde, verlöre sein kompletter klientelistischer Apparat die Existenzgrundlage und müsste zudem die Rache der Nachfolger fürchten. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn er das ohne massiven Zwang täte. Zudem hat er das Backup seiner europäischen Mitprofiteure.

    Es scheint aber so, als hätten Leid, Zorn, Hoffnung und die Anzahl von Bongos Gegnern nunmehr (wieder) einen kritischen Punkt erreicht. Ich befürchte und hoffe gleichzeitig, dass der gewaltsame Widerstand so bald nicht abebben wird.