Moschee baut Vogelhaus: Die Taube auf dem Dach
Ziel sind weniger Dreck und mehr Geburtenkontrolle: Auf der Centrums-Moschee in St. Georg eröffnet der erste offizielle innerstädtische Taubenschlag
Keiner will sie haben. Weder auf dem Boden noch auf dem Dach, und das verwundert: Da oben würden Tauben keinen stören, könnten wie der Heilige Geist umherflattern oder als Mohammeds Helfer. Und sie wären weg von der Straße, zur Freude des sterilitätssüchtigen Großstädters.
Das alles leuchtet ein. Trotzdem hat es den Verein „Hamburger Stadttauben“ viel Mühe gekostet, ein Dach für den ersten Innenstadt-Taubenschlag zu finden. Kaufhäuser, Behörden, Einkaufszentren – alle hätten abgewinkt, sagt die Vereinsvorsitzende Maria Hanika, die das Pilotprojekt gemeinsam mit dem Tierschutzverein ersann. „Man hat uns nicht zugetraut, den Schlag sauberzuhalten.“ Dabei hatte der Verein fest zugesagt, Ehrenamtler mit der Pflege zu betrauen und die tierärztliche Versorgung zu garantieren.
Dem Misstrauen widerstanden hat bislang – neben dem Hauptbahnhof, der auf eigene Kosten einen Raum zum Taubenschlag umrüstete – nur die Centrums-Moschee in St. Georg. „Die Taube ist, wie jeder Vogel, ein Geschöpf Gottes“, sagt Moscheesprecher Ibrahim Yazici. „Sie hat ein Recht auf einen Rückzugsraum und Zuneigung wie alle Wesen“.
Kurz, man wurde sich einig, und am 6. September wird die 20 Quadratmeter-Unterkunft für 200 Tauben eingeweiht. Kostenpunkt: 20.000 Euro. 6.000 davon trägt die Stadt, der Rest sind Spenden. Der Stadt hat man zudem einen 450-Euro-Job sowie unbefristet 10.000 Euro jährlich abgerungen. Und der „Hamburger Stadttauben e.V.“ schickt täglich Ehrenamtler zum Taubenschlag, um zu füttern und zu säubern.
20.000 Tauben leben in Hamburg, viele hungernd und krank, und natürlich ist das Projekt ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber der Schlag könne exemplarisch zeigen, wie sinnvolle Taubenhaltung aussehe, sagt Sandra Gulla, Vorsitzende des Tierschutzvereins.
Ein Grund für das schlechte Image der Tauben als „Gebäudezerstörer“ sei nämlich die nicht artgerechte Nahrung. „Wenn Tauben vor Verzweiflung Pommes und Würstchen fressen, entsteht dieser Durchfall, den wir Hungerkot nennen“; sagt auch Hanika. Bei Körnerkost werde die Ausscheidung zu einer kompakten, ph-neutralen Masse, die völlig unschädlich sei.
Zudem seien Tauben eigentlich ausgewilderte Haustiere, die der Mensch einst auf Reproduktion gezüchtet habe. Um diese Überpopulation einzudämmen, brauche man Geburtenkontrolle. „Wir werden die Gelege der im Schlag brütenden Tauben durch Gipseier ersetzen“, sagt Hanika. „Wenn jede Taube sechsmal jährlich brütet, sind das bei 200 Moschee-Tauben 1.200 Eier im Jahr.“
Bleibt die Frage, wie man die Straßentauben zum Umzug bewegen will. Denn die sind Gewohnheitstiere und verlassen den Geburtsort kaum. „Wir werden“, sagt Hanika, „zunächst Jungtiere zwei Wochen lang im Verschlag halten, bis sie sich eingewöhnt haben. Danach lassen wir sie frei, damit sie ihren Kumpels draußen erzählen, wie schön es im Schlag ist. Und das sei keine Mär. „Die Kommunikation von Tauben ist nachgewiesen.“ Außerdem werde man ja bald wissen, ob es funktioniere. Falls ja, zögen irgendwann vielleicht die zunächst skeptischen Firmen nach. Denn ein, zwei Taubenschläge reichten ja nicht.
Das findet Moscheesprecher Yazici auch. „Wir versuchen, als religiöse Einrichtung ein Vorbild zu sein. Denn Tierschutz geht uns alle an.“
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