Verleihung der Goethe-Medaille: Göööte, Göööte, Göööte
Das Goethe Institut hat Mittler zwischen Deutschland und der Welt ausgezeichnet. Die Vergabe stand unter dem Motto „Migration der Kulturen“.
„Wir leben nach dem Gesetz der kommunizierenden Röhren. Auch die geringste Bewegung findet unweigerlich ihren Widerhall“, schreibt der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch in seinem Roman „Perversion“. Andruchowytsch, geboren 1960, gehört zu den wichtigen Schriftstellern der seit 1991 unabhängigen Ukraine. Er unterstützte die Maidan-Bewegung, kritisiert Nationalismus und russischen Imperialismus, befürwortet Demokratisierung und Westorientierung.
Zusammen mit dem britisch-nigerianischen Fotografen Akinbode Akinbiyi und dem georgischen Museumsdirektor David Lordkipanidze wurde er in Weimar mit der Goethe-Medaille 2016 geehrt, einer Kulturauszeichnung der Bundesrepublik Deutschland.
Bei sengender Hitze im Festsaal des Stadtschlosses zu Weimar zitierte Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, am Sonntag den Namenspatron der alljährlich vergebenen Medaillen: „Vielleicht überzeugt man sich bald: dass es keine patriotische Kunst und patriotische Wissenschaft gebe. Beide gehören, wie alles Gute, der ganzen Welt an und können nur durch allgemeine, freie Wechselwirkung aller zugleich Lebenden, in steter Rücksicht auf das, was uns vom Vergangenen übrig und bekannt ist, gefördert werden.“
So habe man mit Bedacht für die diesjährige Preisvergabe den Titel „Migration der Kulturen – Kulturen der Migration“ gewählt, sagte Lehmann.
Willkommen in der Gelassenheit
Auch die folgenden Festredner bemühten den 1832 in Weimar verstorbenen Frankfurter Universalgelehrten Johann Wolfgang von Goethe. Thüringens stellvertretende Ministerpräsidentin Heike Taubert zitierte aus dem „West-östlichen Divan“ und plädierte „für ein weltoffenes, tolerantes und kulturell vielfältiges Land“.
Andreas Görgen, Kulturbeauftragter im Auswärtigen Amt, nutzte die Gelegenheit, um auf die dauerhaft gültige Abgrenzung zum NS-Regime zu verweisen, zu deren kultureller Stärkung auch eine Auszeichnung wie die Goethe-Medaille seit 1954 beitrage. Und Weimars Oberbürgermeister Stefan Wolf verknüpfte den historischen Goethe mit aktueller Flüchtlingspolitik und kam auf das Grundgesetz zu sprechen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Johann Wolfgang von Goethe
Sonntagsreden? Vielleicht, aber sicherlich nicht nur. Ausflüge ins Freibad oder auf das städtische Weinfest geben in Weimar Einblicke in einen anscheinend tatsächlich gelassenen Umgang mit Flüchtlingen und einer unhysterischen Willkommenskultur. Um dies weiter zu stärken, sagte der Oberbürgermeister, brauche es „umfassende Investitionen in Bildung und Kultur“. Allerdings ist ausgerechnet sein modern ausgerichtetes und über die Grenzen der Stadt hinaus renommiertes „Kunstfest“ von städtischen Mittelkürzungen bedroht.
Analoges und ein Nashorn
Binnenmigration, Verstädterung und Globalisierung sind Themen von Akinbode Akinbiyi, wie die Fotokünstlerin Eva Leitolf in ihrer Laudatio hervorhob. Leitolf erklärte, warum Fotografen mitunter bewusst überholt scheinende Medien, analoge Kamera oder Schwarz-Weiß-Techniken nutzen, um sich gegen Digitalisierung und Konsumismus zu behaupten.
Akinbiyis Position trägt das Außen in sich, den distanzierten Blick desjenigen, der nicht eins mit Lagos oder Berlin ist, wo er überwiegend lebt, der aus dem Nicht-Identischen produktive Perspektiven gewinnt.
Darin nicht unähnlich dem georgischen Archäologen und Museumsmacher David Lordkipanidze. Dieser vermittelte den Georgiern ein modernes Museumsverständnis. Als Wissenschaftler stieß er, wie die Archäologin Friederike Fless in Weimar darlegte, bei seinen Grabungen in Dmanisi auf Knochen eines Nashorns, auf „eine ganze afrikanische Fauna“.
Und zeigte, „dass die Migration der frühen Hominiden – das Out-of-Africa – nicht vor einer Million Jahren stattfand, sondern sehr viel früher vor 1,8 Millionen Jahren“. Die Geschichte der Menschheit, ihrer Migrationen habe daraufhin in Teilen neu geschrieben werden müssen.
Avantgarde gegen Imperium
Kein Mythos war und ist die Ignoranz vieler Westeuropäer gegenüber Staaten wie der Ukraine. Sabine Stöhr, Übersetzerin Juri Andruchowytschs, kritisierte die neuerlichen Zumutungen durch Putins imperiales Russland. „Avantgardisten“ wie Andruchowytsch, sagte Stöhr, würden diesen von jeher mit Satire und Humor begegnen. Der Geehrte selbst ließ die Politik außen vor.
Er trug eine launige Geschichte vor, in denen er vom Deutschlernen in der ukrainischen Sowjetrepublik erzählte, von der Sache mit dem Ö, dem Üben der Umlaute: Göööte, Göööte, Göööte, das trug sehr zur Erheiterung bei. Nicht ohne Sätze einzuschmuggeln wie: „Was ich sagen will, ist, dass Poesie, nachdem ein Dichter sie in die Welt gesetzt hat, nicht mehr aus ihr verschwindet.“
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