piwik no script img

USA und Argentiniens MilitärdiktaturWie Kissinger zum Morden ermunterte

Brisante Informationen in freigegebenen Dokumenten: Henry Kissinger stand an der Seite der Generäle, auch gegen Präsident Jimmy Carter.

Von Kissinger für das Vorgehen gegen „Terrorismus“ gelobt: Juntamitglied Emilio Massera und Juntachef Jorge Videla 1979 Foto: Reuters

Berlin taz | Bei seinem Besuch in Argentinien im März dieses Jahres hatte es US-Präsident Barack Obama versprochen – vor einigen Tagen hat die US-Regierung das Versprechen nun eingelöst und rund 1.000 bislang als geheim eingestufte Dokumente zur Rolle der USA während der argentinischen Militärdiktatur veröffentlicht.

Als sich Argentiniens Militärs im März 1976 an die Macht putschten und ihren Feldzug der Verhaftungen, Entführungen, Folterungen und Ermordungen Tausender linker Oppositioneller begannen, war noch Präsident Gerald Ford im Weißen Haus, sein Außenminister hieß Henry Kissinger.

Auf Ford folgte im Januar 1977 der Demokrat Jimmy Carter, der eine Neuausrichtung der US-Außenpolitik in Menschenrechtsfragen anstrebte.

Aus der ersten Sichtung der freigegebenen Dokumente, die einige Medien und Wissenschaftler inzwischen vorgenommen haben, ist einerseits zu erkennen, wie sich das Verhältnis nicht nur der argentinischen Machthaber, sondern auch der anderen lateinamerikanischen Militärdiktaturen zum Weißen Haus unter Carter verschlechterte. Einige Memos und Protokolle geben auch Hinweise darauf, warum Carters Politik letztlich doch zahnlos blieb.

Kissinger als Ehrengast von Juntachef Videla

Eine Schlüsselrolle dabei spielte offenbar, obwohl gar nicht mehr im Amt, Henry Kissinger. Noch als Außenminister hatte Kissinger die Militärs ermuntert, ihren Kampf gegen den „Terrorismus“ rigoros durchzuführen. Es war die Weltsicht des Kalten Krieges und die sogenannte „Doktrin der nationalen Sicherheit“, aufgrund derer die USA an der Seite aller rechten Militärdiktaturen Lateinamerikas stand, ja deren Machtübernahme oft erst möglich gemacht hatte.

Aber noch nach seiner Amtszeit blieb Kissinger aktiv. Als Argentinien 1978 die Fußballweltmeisterschaft ausrichtete, reiste Kissinger als Ehrengast des Juntachefs Jorge Videla nach Buenos Aires. „Seine Lobpreisungen der argentinischen Regierung und ihres Anti-­Terror-Kampfes war Musik in den Ohren“ der Militärs, ­notierte eine Botschaftsdepesche.

Kissingers Mission: offen gegen Jimmy Carters Menschenrechtspolitik

Vor einer Besprechung des von Carter entsandten US-Botschafters Raúl Castro mit Junta-Chef Videla, angesetzt, um über die Menschenrechtsverletzungen der Militärs zu sprechen, traf sich Kissinger heimlich vorher mit Videla.

Der Botschafter schrieb eine wütende Depesche nach Washington und äußerte seine Besorgnis, dass „Kissingers wiederholte Belobigungen für Argentiniens Vorgehen gegen den Terrorismus“ den Gastgebern zu Kopf steigen könnten. „Es besteht die Gefahr, dass die Argentinier Kissingers Lobhudeleien als Rechtfertigung für noch härtere Menschenrechtsvergehen benutzen könnten.“

Der beliebte Elder Statesman

Robert Pastor, damals im Nationalen Sicherheitsrat für Argentinien zuständig, schrieb über Kissinger: „Was mich am meisten beunruhigt, ist sein offensichtlicher Wunsch, der Menschenrechtspolitik der Carter-Regierung offen entgegenzutreten.“

Henry Kissinger, heute 93, ist für seine Rolle bei der Förderung der lateinamerikanischen Militärdiktaturen nie belangt worden. Im Gegenteil gilt er nach wie vor als „Elder Statesman“, dessen Rat viele suchen, einschließlich des früheren deutschen Außenministers Joschka Fischer und der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. In den kommenden 18 Monaten will die US-Regierung weitere Dokumente veröffentlichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Kissinger hat den Friedensnobelpreis bekommen...

  • "......Henry Kissinger, heute 93, ist für seine Rolle bei der Förderung der lateinamerikanischen Militärdiktaturen nie belangt worden. Im Gegenteil gilt er nach wie vor als „Elder Statesman“, dessen Rat viele suchen, einschließlich des früheren deutschen Außenministers Joschka Fischer und der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. In den kommenden 18 Monaten will die US-Regierung weitere Dokumente veröffentlichen..."

     

    So isset - & deswegen ist für aufrechte Demokraten 9/11 - immer noch & trotzalledem

    Chile 11. September 1973

    "..Am 11. September 1973 putschte das Militär in Chile. Der drei Jahre zuvor demokratisch gewählte sozialistische Präsident Salvador Allende nahm sich das Leben, nachdem die Luftwaffe begonnen hatte, den Präsidentenpalast La Moneda zu bombardieren und Putsch-Militär in den Palast eingedrungen war. Eine Junta unter der Führung von Augusto Pinochet regierte Chile daraufhin bis zum 11. März 1990 als Militärdiktatur. Der Putsch war ein zentrales Ereignis im Kalten Krieg, mit ähnlich symbolhafter Bedeutung wie die Revolution in Kuba...

     

    ff

    • @Lowandorder:

      ff

       

      Die Vereinigten Staaten waren mindestens seit den frühen 1960er Jahren mit ihrem Auslandsgeheimdienst CIA an der chilenischen Innenpolitik beteiligt. So unterstützten die USA regelmäßig die rechte Partido Nacional und auch Eduardo Freis Präsidentschaftswahlkampf 1965 – ohne dass dieser davon wusste. Als 1969 Richard Nixon zum Präsidenten der USA gewählt wurde und Henry Kissinger zu seinem allmächtigen Sicherheitsberater aufstieg, wurde die direkte und illegale Einflussnahme im Namen der „Realpolitik“ auf ganz Lateinamerika deutlich stärker – auch auf Chile. Nachdem die USA die Wahl Allendes 1970 trotz Wahlkampfbeeinflussung für mehr als 7 Millionen US-Dollar nicht verhindern konnten, versuchten sie, noch vor dessen Amtseinführung die Militärs zum Putsch zu bewegen, was jedoch scheiterte. Sie wendete sowohl offizielle Mittel wie massiven Druck des Botschafters auf die Christdemokraten (Track One) als auch massive Geheimoperationen der CIA (Track Two) an....

      Die CIA hatte den Bundesnachrichtendienst bereits einige Tage vor dem geplanten Putsch unterrichtet. Der Bundesnachrichtendienst soll es jedoch unterlassen haben, den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt vom geplanten Umsturz zu unterrichten. Mit Alfred Spuhler, einem Stasi-Spion im BND, war die Information jedoch in die DDR gelangt. Eine Warnung aus Ost-Berlin an Allende kam zu spät...." https://de.wikipedia.org/wiki/Putsch_in_Chile_1973

       

      & die Vorgänge an der Bonner Uni um eine Kissinger-Professur - eben deshalb -

      Ein Skandal! http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/universitaet-bonn-henry-kissinger-lehrstuhl-loest-protest-aus-a-961719.html http://www.welt.de/politik/deutschland/article124087074/Nackter-Studentenprotest-gegen-Kissinger-Professur.html

  • Nennt sich solange "Verschwörungstheorie", bis die Geheimakten offen gelegt werden: https://www.youtube.com/watch?v=VelhSBY6Slw