Opposition im Bundestag zu Erdoğan: „Zusammenarbeit auf Eis legen“
Nach den Reaktionen Erdoğans auf den Putschversuch fordern Linke und Grüne eine harte Haltung der Bundesregierung.
BERLIN taz | Die Opposition im Bundestag fordert nach den Reaktionen des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdoğan auf den Putschversuch in seinem Land eine strikte Haltung der Bundesregierung.
Die Linkenpolitikerin Sevim Dağdelen sagte der taz: „Die Bundesregierung muss die militärische Kooperation mit der Türkei abbrechen und die Bundeswehr sofort aus Incirlik abziehen.“ Auch gehöre das Flüchtlingsabkommen der EU mit dem Land aufgekündigt und die Beitrittsverhandlungen in die EU müssten gestoppt werden.
„Es ist völlig absurd mit einem Land zu verhandeln, das gerade dabei ist, alle Restbestände an Demokratie abzubauen“, sagte Dağdelen. Die Linkspolitikerin warf Erdoğan seinerseits einen „Putsch“ nach der gescheiterten Militärauflehnung vor. „Die Mahnungen der Bundesregierung, demokratische Standards einzuhalten, laufen völlig ins Leere“, so Dağdelen. „Die Zusammenarbeit mit der Türkei muss aufs Eis gelegt werden, wenn man sich nicht zum Gespött machen will.“
Auch der Grünen-Politiker Omid Nouripour forderte eine klare Haltung. „Die Bundesregierung hat Erdoğan in den letzten Monaten alles durchgehen lassen. Spätestens jetzt geht das nicht mehr“, sagte Nouripour der taz.
Den Grünen beunruhigt vor allem die Diskussion um eine Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei. „Die Wiedereinführung wäre eine massive Eskalation und könnte auch Leute wie den inhaftierten PKK-Anführer Öcalan treffen.“
Merkel müsse gegenüber Erdoğan darauf pochen, dass die Verfassung in der Türkei weiter gelte. „Die Bundesregierung muss sehr klar machen, dass man nicht allem konsequenzlos zuschauen werde“, so Nouripour.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Samstag den Putsch in der Türkei „aufs Schärfste“ verurteilt. „Deutschland steht an der Seite all derjenigen in der Türkei, die die Demokratie und den Rechtsstaat verteidigen.“ Merkel appellierte dabei auch an Erdoğan: „Gerade im Umgang mit den Verantwortlichen für die tragischen Ereignisse der letzten Nacht kann und sollte sich der Rechtsstaat beweisen.“
Leser*innenkommentare
mémoirecourte
Worum geht es Merkel eigentlich: Sicherzustellen, dass Erdogans Türkei weiterhin deutsche Waffen Kauft (um endgültig mit den Kurden Schluss zu machen);
Stefan Mustermann
Erdoğan nannte den verunglückten Staatsstreich ein „Geschenk Gottes“, damit er das Militär säubern könne
http://www.cicero.de/weltbuehne/gottes-geschenk-wie-der-putschversuch-in-der-tuerkei-erdoans-macht-staerkt
Was würden Psychologen dazu sagen? Normalerweise wäre ein President erschüttert (weil unerwartet???), niedergeschlagen, weil Menschen gestorben sind.
Irgendwie bringt dieser sogenannte Putschversuch viele Fragen.
571 (Profil gelöscht)
Gast
Harte Haltung?
Die ist allein schon per Nato-Mitgliedschaft unmöglich.
Sondermann
Sevim Dagdelen hat recht. Keine militärische Kooperation mehr!
Gion
ja! Damit daß nicht mehr passiert, was ich vor Jahrzehnten im kurdisch-türkischen Dorf eines Freundes erlebte:
Ein junger Dorfschützer (Jandarma) grüßte freundlich auf Deutsch und klopfte stolz auf den Schaft seines G3-Gewehres:
"Almanya gut!"
Einige Zeit später tötete das Militär meinen Freund. Sein "Verbrechen": Er war Kurde - kein kämpfendes oder gar passives PKK-Mitglied. Dabei zerstörte das Militär große Teile seines Dorfes.
Im TV sahen wir später ausrangierte NVA-Schützenpanzer, an einem war ein Mensch angebunden, den sie über eine Dorfstrasse schleiften...
Sondermann
@Gion Mein volles Mitgefühl!
Leachim
@Gion und diesem Militär möchten jetzt viele hier in Deutschland die Macht über den türkischen Staat geben ...
Karl Kraus
@Gion :(
Gion
mowgli
Bis eben noch war die Türkei für Angela Merkel und Co. Teil der Lösung eines Flüchtlingsproblems. Ab sofort könnte sie alledings Teil des Problems werden.
Mustardman
Wenn man Politik immer nur als reaktives Wählen des kleinsten Übels betreibt, darf man sich nicht wundern, wenn man im Optionsbaum irgendwann auf einen kleinen Zweig herausgeklettert ist, von dem aus man nicht mehr weiterkann, ohne entweder runterzuspringen oder große Umwege über die Äste der großen Übel zu gehen.
Die derzeitige Situation ist aber beschissen, zumal alle Politik gegenüber der Türkei nicht nur außenpolitische, sondern auch massive innenpolitische Dimensionen hat, denn nicht nur in der Türkei sind viele Türken Anhänger von Erdolf.