Wowereit als SPD-Vize: Chance für die marode Stadt
In manchen Interviews kommt es nur auf einen einzigen Satz an. Ihn will der Befragte in die Öffentlichkeit tragen. Beim SPD-Landeschef Michael Müller war es gestern folgender: „Klaus Wowereit wäre ein herausragender stellvertretender Parteivorsitzender.“ Beim Postengerangel rund um die Bildung der rot-schwarzen Bundesregierung soll der Regierende Bürgermeister auch was bekommen. Das wird den meisten BerlinerInnen wohl ziemlich egal sein. Sollte es aber nicht.
KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE
Die Berliner SozialdemokratInnen wollen mehr Einfluss in der Bundespartei. Den können sie auch gut gebrauchen. Selten schaffen es hiesige PolitikerInnen jedweder Couleur auf einflussreiche Posten in Ministerien und Parteispitzen. Die Landesverbände sind einfach zu klein.
Falls die Berliner SPD tatsächlich Einfluss in der Bundespartei erhält, wird das auch der maroden Hauptstadt nutzen, etwa bei der Forderung Berlins nach großzügigen Entschuldungshilfen. Konkrete Geldsummen, die dem Land aus der Schuldenmisere helfen sollen, werden Bund und Länder untereinander auskungeln. Eine Berliner Stimme am Ohr der Bundesregierung wäre dabei bares Geld wert.
Doch Müllers Worte lassen sich auch als Frage verstehen: Wer stößt in das Vakuum, das der Abgang Schröders in der SPD hinterlässt? Und wer soll die Partei in zwei, vier oder acht Jahren in den nächsten Bundestagswahlkampf führen?
Noch redet kaum jemand ernsthaft über einen Bundeskanzlerkandidaten Wowereit. Nach vier Jahren an der Spitze eines Stadtstaats hat der Regierende zu wenig Erfahrung und Einfluss. Doch nach einer möglichen Wiederwahl Wowereits im kommenden Jahr würden die Karten neu gemischt. Viele mittelalte Politiker von Format kann die SPD nicht vorweisen. Und Überraschungen haben gerade die vergangenen Monate im Überfluss offenbart.
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