Klimaschutz kontrovers: Gegenwind für neuen Kurs
Besonders großer Sprung nach vorn oder bloß „Wischi-Waschi“? Schleswig-Holsteins heranreifendes Klimaschutz-Gesetz hat nicht nur Freunde.
Kritik erntet die Landesregierung nicht nur von der Opposition, die das Gesetz für „überflüssig und zu weitgehend hält, sondern auch von Naturschützern: „Das ist wischi-waschi, nur kleine Brötchen statt dem großen Wurf, den wir erwartet und erhofft hatten“, sagt Tobias Langguth, Klimaexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Schleswig-Holstein. Unter anderem fehlten wichtige Bereiche wie Mobilität oder ein zügiger Ausstieg aus der Kohleverbrennung. Zudem seien die Ziele, die im November beim jüngsten Klimagipfel in Paris vereinbart wurden, nicht eingeflossen.
Habeck sieht das anders. Er verwies in der Pressekonferenz sogar ausdrücklich auf das Abkommen von Paris: „Das ist für Schleswig-Holstein ein Handlungsauftrag, der mit Leben gefüllt werden muss und kein Abwarten duldet.“
Auf zwei Arten will die Kieler Regierung zum Klimaschutz beitragen: Durch Grenzwerte, die das Land insgesamt einhalten soll, und durch ein gutes Vorbild in den eigenen Liegenschaften. Allerdings weicht die Koalition aus SPD, Grünen und SSW in einem Punkt von den eigenen Zielen ab: Der Ausbau der Windenergie verlangsamt sich.
37 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien, vor allem Wind, sollen ab 2025 jährlich im Land erzeugt werden, 2030 sollen es sogar 44 Terawattstunden sein. Zurzeit liegt der Wert bei jährlich 17 bis 18 Terawattstunden.
Mindestens 22 Prozent der Wärme-Energie sollen bis 2025 ebenfalls aus erneuerbaren Energien entstehen, 2014 waren es 13,5 Prozent.
40 Prozent weniger Treibhausgase wie CO2 soll Schleswig-Holstein im Jahr 2020 emittieren. Mehr als halbieren will man den Ausstoß bis 2030, 2040 soll der Wert 70 Prozent unter dem des Vergleichsjahres 1990 liegen. 2050 sollen „80 bis 95 Prozent“ weniger klima-schädliche Gase erzeugt werden. Der BUND nennt diesen Zielkorridor zu breit – und das Ziel damit zu vage.
In seinen eigenen Liegenschaften will das Land den CO2-Ausstoß für Strom- und Wärmeverbrauch bis 2020 um 40 Prozent senken.
Bisher war davon die Rede, dass Schleswig-Holstein bis 2025 dreimal mehr sauberen Strom herstellt, als es selbst verbrauchen kann – die 100-Prozent-Marke hat das Land längst überschritten. Bei der jetzigen Vorstellung des Gesetzes war von 37 Terawattstunden für das Jahr 2025 die Rede, das ist im Vergleich zur heutigen Produktion von rund 18 Terawattstunden im Jahr nur eine gute Verdoppelung; bis 2030 sollen es 44 Terawattstunden pro Jahr sein. Als Grund nennt das Ministerium eine geänderte Lage: So müssen die für Windkraft geeigneten Flächen nach einem Gereichtsurteil neu definiert werden; auch stoppt das Erneuerbare-Energien-Gesetz den Ausbau, und Stromtrassen in den Süden fehlen weiterhin.
Vorgesehen ist im Gesetzentwurf, dass die Kommunen den Energieverbrauch sowohl der eigenen Gebäude wie auch großer Industrieanlagen messen und diese Daten an das Land übermitteln. Dass dazu aber keine Verpflichtung besteht, kritisiert Naturschützer Langgut: „Verboten war das den Gemeinden bisher auch nicht.“ Regelmäßig soll der Landtag über die Umsetzung der Klimaschutzpläne unterrichtet werden. Ein unabhängiger Beirat – dessen Mitglieder allerdings das Ministerium beruft – soll die Prozesse fachlich und kritisch begleiten.
Während die Regierungsfraktionen den Entwurf loben, lässt die Opposition kein gutes Haar daran. „Kein großer Wurf, sondern reine Symbolpolitik, gepaart mit zusätzlicher Bürokratie“, so Oliver Kumbartzky (FDP). Wie er nennt auch Christian Magnussen, energiepolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, die Gebäude im Landesbesitz als Schwachstelle: In historischen Schlössern und Scheunen sei CO2-Neutralität kaum hinzukriegen – „will Habeck die komplett abreißen lassen?“, so Magnussen.
Tobias Langguth vom BUND sieht in dem Gesetz eher den Willen am Werk, möglichst wenig Geld auszugeben – und findet das falsch: „Wir steuern auf eine Katastrophe zu. Es ist anstrengend, sie abzuwenden, und es werden einige Gruppen mehr betroffen sein als andere.“ Dies müsse die Politik deutlich machen – „nicht nur in den klassischen Sonntagsreden“.
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