Weibliche Selbstinszenierung: Mode, die glamourisiert
Der Glamour liebt den Geist in der Züricher Boutique „Thema Selection“. Der Sammelband „Female Chic“ erzählt ihre Geschichte.
Als ganz junge Professorin, Ende der 80er Jahre, da habe sie es schon gewusst, sagt Elisabeth Bronfen: „Dass es wichtig ist, dass wir da vorne gut aussehen.“ Viel Geld habe sie damals nicht gehabt, aber zwei, drei gute Kostüme, die habe sie sich angeschafft. Quasi als Schutz. Als Rüstung. So könnte man es nennen, wenn das nicht zu defensiv klingen würde.
Denn die weibliche Selbstinszenierungen, um die es hier geht, und deren Spuren nicht nur in den Hörsaal, sondern direkt in eine legendäre Boutique nach Zürich führen, hat mit Selbstbewusstsein und durchaus auch mit Kampfbereitschaft zu tun. In keinem Fall mit Ängstlichkeit und mangelndem feministischen Ehrgeiz.
Der Glamour liebt den Geist, die strategische Raffinesse das Spiel. Das ist wichtig zu bedenken, wenn man sich dem „Thema Selection“, so der Name jenes Ladens in Zürich und des zugehörigen, von den Schweizer Modeschöpferinnen und Stylistinnen Ursula Rodel, Katharina Bebié und Sissi Zoebeli 1972 gegründeten Labels nähert.
Der von Gina Bucher herausgegebene Sammelband „Female Chic“ tut das bei dem Versuch, die Geschichte der Boutique Thema Selection zu erzählen. Das ist leichter gesagt als getan. Eine Welt, in der sich Kunst und Leben, Freundschaft, Liebe, Sex und sehr viel Chic seit nun über 40 Jahren ständig über den Weg laufen und in der Zahnarztgattinnen manchmal hören, sie sollten heute lieber kein Kleid kaufen, sondern stattdessen im Café gegenüber einen Martini trinken, lässt sich nicht einfach widerspiegeln. Jedenfalls nicht, ohne dass Unschärfen entstehen, kleine Lücken und Ungleichgewichte. Aber das ist in Ordnung.
Man kann ausprobieren, den Standort wechseln
Entscheidender für das Vergnügen an diesem Band ist, dass er – ob freiwillig oder unfreiwillig – Freiräume lässt. Man kann ausprobieren, den Standort wechseln, kann mit den Texten und Interviews gewissermaßen in der Umkleidekabine verschwinden. Sich umsehen in den Foto- und Bildstrecken und staunen über das Ausmaß einer exzentrischen Schönheit, die ihre Blütezeit inmitten eines sehr bürgerlichen Zürichs der 70er und 80er Jahre hatte.
An keinem Punkt der Lektüre wird man alle politischen, privaten und künstlerischen Zusammenhänge völlig überblicken, doch wird man etwas von der Großzügigkeit und Lebensklugheit dieser Welt verstehen, in der Frauen zu „verniedlichen, sie aufzuhübschen“ niemals in Frage kam.
Elisabeth Bronfen, Kundin bei Thema Selection, fängt die Wirkung dieser Mode in ihrem Beitrag mit der Wendung des „Frequency Hopping“ ein: Ein „schillerndes Changieren“ zwischen männlichen und weiblichen Signalen geht hier vor, ein virtuoses Spiel im Zwischenraum der Zuschreibungsmuster.
Ein weißes, offenes Hemd geht immer
Glamourisieren. So kann man es auch beschreiben, Das herrliche Verb wird von Sissi Zoebeli benutzt, die heute allein für die Thema Selection steht. Sofort weckt es die durchaus erotische Vorstellung eines geheimnisvoll imprägnierten weiblichen Körpers. Unangreifbar und gefährlich, frei von biederer Anpassung und koketter Gefallsucht, so ist der ideale Thema-Auftritt. Was es dazu braucht, ist manchmal nur ein weißes, offenes Hemd. Das glamourisiere die Frauen quasi automatisch, schon wegen der Stärke und Festigkeit des Stoffes.
Gina Bucher (Hg.): „Female Chic. Thema Selection. Geschichte eines Modelabels“. Edition Patrick Frey, Zürich 2015, 632 S., 400 Farbabbildungen, 70 Euro
Sissi Zoebeli ist streng. Glamourisieren kann nur, wer die Form kennt, wer um den Schnitt und die bei Thema stets meisterhafte Präzision beachtet. Deshalb gehört auch an Hosen immer ein Gürtel und in Hosen und Kleidern immer eine Tasche. Letztere muss tief sein, um den eleganten Fall nicht zu stören.
„Der Look ist einfach lässiger, wenn man die Hände in die Tasche stecken kann“, so Zoebeli. Jeder Mann könne seine Hände schließlich in die Taschen seines Anzugs stecken, „während wir einfach ein Täschchen in der Hand halten oder die Hände falten sollen?“ Selbstverständlich nicht. Die Frage war aber ohnehin rhetorisch gemeint.
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