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Hamburger StadtgeschehenAbschied vom Hyperlokalen

Den Hamburger Lokalblogs und -magazinen geht die Puste aus. „HH Mittendrin“ gibt auf, der St.-Pauli-Blog wurde eingestellt, bei „Wilhelmsburg online“ ist alles offen.

Ist spannend, aber muss sich rechnen: Recherche im lokalen Untergrund.

HAMBURG taz | Wer Wert auf Lokaljournalismus jenseits der etablierten Pfade legt, musste in den vergangenen Wochen unangenehme Nachrichten hinnehmen. Zunächst stellte der St.-Pauli-Blog den Betrieb ein, weil das Hamburger Abendblatt „das Projekt derzeit nicht weiterführen will“, wie die Macher mitteilten. In diesem Monat der nächste Schock: Das im Herbst 2012 gestartete Online-Magazin „HH Mittendrin“, gewidmet dem Geschehen im Bezirk Mitte, verkündete seinen Abschied.

„Deutschlandweit kämpfen lokale Online-Medien ums Überleben“, sagt Annabel Trautwein, die Gründerin von „Wilhelmsburg online“. Bei der „Internet-Zeitung für die Elbinsel“ (Selbstdarstellung) passiert derzeit wenig, es erscheinen nur noch zwei bis drei Artikel pro Monat. Und das hyperlokale Vorreiterprojekt „Altona Info“, 2009 gegründet, läuft seit Anfang 2015 in stark eingeschränktem Umfang, ein neuer Betreiber wird gesucht.

Im Laufe der Nullerjahre galt „hyperlokal“ noch als eine Art Zauberwort. Der Begriff steht für eine dank des Internets möglich gewordene neue journalistische Form: Während eine gedruckte Zeitung aus Platzgründen nicht jedes Ereignis aus einem Dorf oder einem Stadtteil berücksichtigen kann, ist dies online theoretisch möglich. Zudem herrscht im Internet zwar längst ein Überfluss an Informationen über nationale Ereignisse, Weltpolitik, Sport und Entertainment, aber ein Mangel an substanziellen Beiträgen zu den Geschehnissen in der eigenen Nachbarschaft. Gute Pers­pektiven für einen anderen Lokaljournalismus. Eigentlich.

Fast überall aber haben oder hatten die publizistischen Mini-Einheiten „mit den Problemen zu ackern, die die Großen auch haben“, vor allem der „geringen Bereitschaft, im Internet für journalistische Texte etwas zu zahlen“. Das sagt Isabella David, die Ex-Chefredakteurin von „HH Mittendrin“. Für ihre Kollegen und sie bedeutete das: Sie mussten derart viel Zeit damit verbringen, ihren Lebensunterhalt (und die Büromiete) zu verdienen, dass sie die inhaltlichen Ansprüche, die sie an „HH Mittendrin“ hatten, nicht mehr erfüllen konnten.

Die Ansprüche waren noch gewachsen, als David und Co. Anfang 2014 weit über ihren bisherigen Leserkreis hinaus Bekanntheit erlangten. Über die damaligen Demos gegen die Gefahrengebiete berichteten die Journalisten von „HH Mittendrin“, die eine Zeitlang mit der taz.nord kooperierten, minutiös-präzise, während die etablierten Medien oft die journalistische Sorgfaltspflicht vermissen ließen.

Trautwein benennt ähnliche finanzielle Schwierigkeiten: In den ersten beiden Jahren habe sie hauptsächlich für ihr eigenes Projekt gearbeitet, „aber ich habe damit im Grunde kein Geld verdient. Wie lang das gut geht, kann sich jeder ausrechnen.“ Und wenn man dann anderweitig Geld verdient, stellt sich ein neues Problem: „Wer ernsthaft Lokaljournalismus betreiben will, muss das Grundrauschen vor Ort mitbekommen. Wenn ich drei Tage pro Woche in einen anderen Job eingebunden bin, fehlt mir dafür aber die Zeit.“

Es brauche „kritischen Journalismus, damit die Demokratie funktioniert“, und dazu gehörten auch „glaubhafte kleine Medien vor Ort“, sagt sie. Erforderlich sei eine „politische Debatte“ darüber, wie das gewährleistet werden könne. Ob und wie es weiter geht mit „Wilhelmsburg online“, lässt Trautwein offen.

Gut läuft es derzeit dagegen für die 2013 gegründeten „Eimsbütteler Nachrichten“, die sowohl über Kommunalpolitik berichten als auch etwa über die Wiedereröffnung einer Arko-Filiale in der Osterstraße. Seit Anfang 2015 gibt es einen Print-Ableger auf Zeitungspapier, drei Spezialausgaben – zu Arbeit, Wohnen und Verkehr – sind erschienen. Ende Juli stellt man nun um auf ein vierteljährliches Magazin.

Als Stärke der „Eimsbütteler Nachrichten“ sieht Geschäftsführer Jan Hildebrandt, dass man sich „von Anfang an“ in starkem Maße um die Vermarktung gekümmert habe. Den Erfolg führt er auf die Verhältnisse vor Ort zurück: die gut situierte Einwohnerschaft und das aufgrund der hohen Dichte an Gewerbetreibenden Potenzial an Werbekunden. Hildebrandts Zwischenfazit: „Das Projekt entwickelt sich gut genug, um dabei zu bleiben.“

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