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Anonyme Aktivistin gegen BraunkohleZwei Monate Knast für Klimaprotest

Braunkohle namenlos attackiert: Die Frau, die ihren Namen verschweigt, hat einem Polizisten einen blauen Fleck verpasst.

Was ist schon anonymer Protest gegen das namenlose grau-braun des Tagebaus Jänschwalde Foto: dpa

BERLIN taz | Ihr Verhalten sorgt in der Szene für Respekt: Nun ist die „Yu“ genannte Gegnerin des Abbaus von Braunkohle zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Der Grund: Sie hat sich nach Ansicht des Amtsgerichts Cottbus bei einer Ankettaktion an Bahngleisen für den Kohletransport in der Nähe des Tagebaus Jänschwalde im Grenzgebiet zu Polen gewehrt – und dabei einen Polizisten verletzt.

Nicht unerheblich für das Urteil vom Donnerstag ist, dass „Yu“ auch während der Verhandlung ihre Identität nicht preisgab. Seit ihrer Festnahme im Süden Brandenburgs vor knapp vier Wochen hatte sie ihre Personalien verschwiegen. Sie saß wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft, nicht wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Die Verteidigung will Berufung gegen das Urteil einlegen.

Tausende hatten sich am Pfingstwochenende im Lausitzer Braunkohlerevier versammelt und den Tagebau Welzow-Süd besetzt. Weitgehend friedlich. Dennoch wurde danach gegen 213 Protestierende ermittelt. Drei sind laut dem Bündnis „Ende Gelände“ noch immer in Haft.

„Wer schon mal im Gefängnis saß, weiß, dass man das am besten wirklich vermeiden sollte“, sagt einer der Aktivisten von „Ende Gelände“, der anonym bleiben will. „Um sich vor Strafverfolgung zu schützen, hatte sie bei der Aktion keinen Pass dabei“, erklärt Hannah Eichberger, die Sprecherin von Ende Gelände. Aber auch danach habe sich die Frau trotz U-Haft entschieden, anonym zu bleiben, um künftig ohne Aktenvermerk – und somit leichter – Protestaktionen durchführen zu können.

Widerstand und Körperverletzung

In der Verhandlung sagte „Yu“ lediglich, dass sie 19 Jahre alt sei. Um die Frau auf der Anklagebank zu identifizieren, nutzte das Gericht zum Abgleich Fotos, die nach der Festnahme gemacht worden waren. Zudem bestätigten zwei Polizisten, dass es sich um „die Richtige“ handele.

Das Gericht verhängte die zweimonatige Gefängnisstrafe wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung. Damit folgte es dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die die vergleichsweise hohe Strafe gefordert hatte.

Bei der Verletzung des Polizisten handelte es sich um einen blauen Fleck am Knie. Richter Michael Höhr betonte, dass bei der Bemessung des Strafmaßes mit eingeflossen sei, dass die Frau ihre Identität bis zuletzt verschwieg.

Bei einer Bewährungsstrafe könnte wegen der fehlenden Personalien gar nicht überprüft werden, ob die Frau gegen Auflagen verstoße.

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15 Kommentare

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  • "LKW überrollt Radfahrerin", ein anderer Artikel hier in der TAZ. Der Fahrer hat eine Geldstrafe bekommen, obwohl er nachweislich nicht bremste. Die Verletzungen der Radfahrerin sind schwer, inklusive Amputation des Fußes.

    Zwei Monate Haft für einen blauen Fleck? Auch als Bewährungsstrafe völlig unverhältnismäßig.

  • Gerade kommen Zehntausende über die Grenze, deren Identität nicht zu ermitteln ist. Sollen wir die alle prophylaktisch in den Knast stecken?

  • Also, zunächst ist die Überschrift falsch und führt in die Irre. Die Verurteilung erfolgte wegen Körperverletzung und einer Widerstandshandlung.

    Würde man die Frau laufen lassen, obwohl ihre Identität nicht feststeht, währe das ein Freibrief für jeden Straftäter, dessen Identität nicht zu ermitteln ist......

    • @ChristianP:

      Wessen Identität nicht zu ermitteln ist, der kann auch nicht verurteilt werden.

  • Die Verurteilung ist aus meiner Sicht nachvollziehbar. Wer so ein Spielchen mit dem Staat spielt, kann nicht einfach auf eine in der Tat nichtkontrollierbare Bewährung davon kommen. Was soll der Richter denn bitteschön machen? Für jeden Ladendieb gilt, dass Reue, Einsicht und Kooperation das Strafmaß reduzieren.

  • Erstaunlich -- ich wusste nicht, dass man in D anonym verurteilt werden kann! Hätte gedacht, die Behörden veröffentlichen dann Fotos nach dem Motto "Wer kennt diese Frau?", lassen nicht locker, bis sie alles wissen. Hach ja, es wird wirklich Zeit, dass wir alle einen RFID-Chip unter die Haut gesetzt kriegen, dann passiert sowas nicht mehr! So ein Ding, das auf 5 m Umkreis auslesbar ist. Am besten noch mit dem individuellen Genom drauf. Damit man wirklich gut Bescheid weiß! Kommt bestimmt.

    • @miri:

      5m? Ich bitte Sie! Satelliten sollten ihn schon lesen können.

    • @miri:

      Ihre Ironie ist unangebracht.

      Stellen sie sich einfach vor es wäre ein "völkische Aktivisten" gewesen - ohne Ausweis.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        ...und/oder sie hätte einem Flüchtlin "einen blauen Fleck verpasst"...

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Keine Solidarisierung mit Nazis!

        • 7G
          73176 (Profil gelöscht)
          @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Ist es nicht heuchlerisch auf der einen Seite Gesetze anzuwenden (bei Rechtsextremen) und bei Anderen nicht (Linksextremen)?

          Ist das Ihre Vorstellung von Rechtsstaat?

  • Haut eine Polizisten vermutlich versehentlich einen blauen Fleck und kommt dafür vor Gericht.

    Und verurteilt wird Sie weil Sie sich nicht ausweist... Unser Rechtssystem ist dermaßen verkommen

    • @HerrvonSinope:

      Unter dem Aspekt, des bekanntermaßen immer häufiger und somit schon als normal auftretenden, riesengroßen Glaubwürdigkeitsproblem bei der Polizei, darf getrost angezweifelt werden, dass dieser Polizist sich seinen Blauen Fleck durch Yu eingehandelt hat. Zudem geht auch nicht mehr zu leugnen, dass eine rechtsradikale und also zum Lügen neigende Moral unter Polizisten zunehmend virulenter wird. Die Zeitungen berichten ja ständig.

    • @HerrvonSinope:

      Ja unser Rechtssystem ist wirklich das allerletzte, bei mir würde sie einsitzen bis sie Ihre Identität preisgibt plus 2 Monate wegen Körperverletzung.

      • @udo fischer:

        Und das dann Schutzhaft nennen, gell?