: Duell mit dem Schulhoftyrannen
Demokraten Hillary Clinton muss sich auf einen schmutzigen Wahlkampf gegen Donald Trump gefasst machen. Senator Bernie Sanders pokert bis zum Schluss
Aus Washington Frank Herrmann
Von Dorothy Rodham wird noch oft zu hören sein in diesem Wahlkampf. In der Nacht, in der Hillary Clinton ihren Sieg im Wettlauf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten feierte und ihre Partei auf das anstehende Duell gegen Donald Trump einstimmte, spielte sie jedenfalls eine markante Rolle. Von ihrer Mutter, rief Clinton ihren Anhängern auf einer Wahlparty in Brooklyn zu, habe sie gelernt, niemals zurückzuweichen vor einem Schulhoftyrannen. „Sie hat mich gelehrt, niemals einzuknicken vor einem Bully, was, wie sich herausstellt, ein ziemlich guter Rat war.“ Gemeint ist Donald Trump.
Kriminelle gegen Hasardeur
Clinton gegen Trump: Alles deutet auf einen Zweikampf, der als der haarigste, im Ton raueste in die Wahlchronik der USA eingehen könnte. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Bauunternehmer die frühere Außenministerin nicht mit Vokabeln beschreibt, die hässlicher sind als alles, was bisher in der gewiss nicht zimperlichen amerikanischen Politik zu hören war. Mal legt er ihr in krasser Wortwahl die außerehelichen Affären ihres Ehemanns Bill zur Last, mal beschimpft er sie als Kriminelle, die ins Gefängnis gehöre, nicht ins Weiße Haus. Die Clintons, wetterte er in der Nacht zu Mittwoch, hätten persönliche Bereicherung zu einer wahren Kunstform entwickelt: „Wir können unsere Probleme nicht lösen, wenn wir auf Politiker zählen, die diese Probleme erst geschaffen haben.“
Die Demokratin konterte mit der Warnung, es wäre viel zu riskant, einem charakterlich so labilen, so unberechenbaren Mann wie Trump den Koffer mit dem Atombomben-Freigabecode zu überlassen. Dieser Hasardeur wolle gewinnen, indem er das Land spalte, indem er Ängste schüre und Salz in Wunden streue. Dann wieder sprach sie von einem Meilenstein der Geschichte, von dem Moment, in dem eine der beiden großen Parteien der Vereinigten Staaten zum ersten Mal eine Frau ins Rennen ums Weiße Haus schickt.
Offiziell ist dies zwar erst besiegelt, wenn die Delegierten des Wahlparteitags im Juli in Philadelphia über die Kandidatur entscheiden. In Wahrheit aber ist das Rennen gelaufen, auch wenn Bernie Sanders, der überraschend starke Kontrahent der Favoritin, noch nicht bereit ist, es für beendet zu erklären. Clinton hat nicht nur die Vorwahlen in New Jersey, New Mexico und South Dakota gewonnen, sondern auch in Kalifornien, wo Sanders mit einem Sieg seine Position für die Debatten des Wahlkonvents hatte stärken wollen.
Dass Clinton das Duell im bevölkerungsreichsten Bundesstaat mit 56 Prozent der Stimmen gewann, klarer als erwartet, wirkt wie eine kalte Dusche für den Senator aus Vermont. Sanders ging zwar in Montana und North Dakota als Erster durchs Ziel, was aber an der aus seiner Sicht ernüchternden Bilanz des Wahldienstags kaum etwas änderte. Ans Aufgeben will er dennoch nicht denken. Er werde weiterhin um jede Stimme kämpfen, kündigte der 74-Jährige an, als es an seiner Niederlage nichts mehr zu rütteln gab. Zumindest rhetorisch hofft er noch immer auf ein kleines Wunder im Juli, darauf, dass die Superdelegierten des Parteitags reihenweise zu ihm überlaufen und das Blatt damit wenden.
Theoretisch haben es die 715 Superdelegierten, Abgeordnete und Parteifunktionäre, die nicht an das Votum der Vorwahlen gebunden sind, noch immer in der Hand, die Karten neu zu mischen. Praktisch haben die meisten von ihnen aber schon jetzt Hillary Clinton ihre Unterstützung zugesichert. Dass sie auf einmal umschwenken und den bei den Primaries Zweitplatzierten zum Sieger erklären, steht nicht zu erwarten.
Superdelegierte (englisch: superdelegates) sind in den Vereinigten Staaten von Amerika Funktionäre und Amtsträger der Demokratischen Partei, die bei Nominierungsparteitagen frei und unabhängig vom Vorwahlergebnis in ihrem Bundesstaat entscheiden dürfen, für welchen Präsidentschaftskandidaten sie stimmen. Etwas Vergleichbares gibt es bei der republikanischen Konkurrenz nicht.
Momentan wollen 571 Superdelegierte Hillary Clinton ihre Stimme geben, 48 sind für Bernie Sanders – und 95 noch unentschlossen.
Sanders hat also nur noch dann eine Chance, als demokratischer Präsidentschaftskandidat aufgestellt zu werden, wenn beim demokratischen Nominierungsparteitag im Juli in Philadelphia sehr viele Superdelegierte von Clinton umschwenken und Sanders wählen. (rr)
Sanders Trumpf
Was Sanders mit seinem Poker tatsächlich zu erreichen versucht, ist wohl, dass er in prominenter Rolle mitbasteln kann an der Agenda, mit der die Demokraten ins herbstliche Finale ziehen. Seine Trumpfkarte sind junge Wähler, die in Clinton eine Symbolfigur jenes politischen Establishments sehen, von dem sie sich im Stich gelassen fühlen. Vor allem bei ihnen konnte der Veteran damit punkten, dass er kostenlosen Collegebesuch, bezahlbare Krankenversicherungen und eine zurückhaltende Außenpolitik versprach.
Hinzu kommen Unabhängige, die sich auf keine Parteifarbe festlegen und in dem kantigen Veteranen einen grundehrlichen Politiker sehen, der felsenfest zu seinen Überzeugungen steht. Clinton braucht diese Wählergruppen, will sie Trump im Herbst bezwingen. Ein Schulterschluss mit Sanders ist die Voraussetzung dafür.
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