Abgesagtes Fastenbrechen: Von wegen Zeit der Versöhnung
Wegen der verabschiedeten Armenien-Resolution sagt die Şehitlik-Moschee ein Fastenbrechen ab. Ausgeladen wurde auch Bundestagspräsident Lammert.
Schon im Januar lud die Neuköllner Şehitlik-Moschee neben Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die beiden Bundestagsabgeordneten Özcan Mutlu (Grüne) und Azize Tank (Linke) zum gemeinsamen Fastenbrechen am heutigen Donnerstagabend ein. Zwei Tage vorher wurde der Termin dann von den Gastgebern abgesagt. Grund dafür dürfte die kürzlich verabschiedete Armenien-Resolution des Bundestags sein, mit der die Ermordung von bis zu 1,5 Millionen ArmenierInnen im Osmanischen Reich als Völkermord anerkannt wurde.
Die Absage durch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), zu dem auch die Şehitlik-Moschee gehört, erfolgte „aus gegebenem Anlass“, wie am Mittwoch auf der Website des Gesandten für religiöse Angelegenheiten des Türkischen Generalkonsulats zu lesen war. Ditib ist dem Präsidium für religiöse Angelegenheiten der Republik Türkei und somit dem Amt des türkischen Ministerpräsidenten untergeordnet. Der „Dachverband“ hat seinen Hauptsitz in Köln und koordiniert religiöse, soziale und kulturelle Tätigkeiten türkisch-islamischer Organisationen.
Vor der Absage kam es auf Facebook zu Vorwürfen gegen die Şehitlik-Moschee. Der Präsident der Türkischen Gemeinde zu Berlin (TGB), Bekir Yilmaz, verwies dort auf das geplante Essen, die geladenen Gäste und deren Stimmverhalten bei der Armenien-Resolution – Lammert und Tank stimmten dafür, Mutlu enthielt sich.
Aggressive Kommentare
Ebenso fragte Yilmaz auf Facebook: „Wenn wir nach einer Woche alles wieder vergessen, werden sie uns gegenüber dann nicht jede Bosheit erwägen?“. Die Wut seiner Follower entlud sich daraufhin in aggressiven Kommentaren über die Resolution sowie gegen die Moschee und PolitikerInnen. Dabei hatte die Şehitlik-Moschee die Armenien-Resolution einige Tage zuvor selbst aufs Schärfste verurteilt. Ihre Stellungnahme zur Absage formulierte die Moschee schließlich auch auf Facebook und nahm explizit Bezug zur Armenien-Resolution: „Die Absage ist eine politische Entscheidung“, hieß es.
Die geladenen Gäste reagierten indes unbeeindruckt bis überrascht auf das abgesagte Essen. Während Lammert auf Anfrage der taz mitteilte, dass er sich nicht zum Vorfall äußern möchte und auf die Veranstalter verwies, teilte Linken-Abgeordnete Tank überrascht mit, dass sie über die Absage bisher nicht in Kenntnis gesetzt worden sei.
Mutlu von den Grünen erklärte dagegen, dass er das Essen bereits vorher aus zeitlichen Gründen abgesagt hatte. Unbeeindruckt teilte er mit, dass es sich wohl um „innertürkische Angelegenheiten“ handle. Sowieso gebe es im Ramadan immer „sehr viele Einladungen zum Fastenbrechen“, so Mutlu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Nach Ausschluss von der ILGA World
Ein sicherer Raum weniger