Daniel Bax über Morddrohungen gegen Özdemir und andere: Erdoğan eskaliert
Selbst für einen geübten Populisten wie den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist das ein Tiefpunkt. Nicht nur dass er die türkeistämmigen Abgeordneten im Bundestag, die in der vergangenen Woche für die Resolution zum Völkermord an den Armeniern gestimmt haben, rhetorisch in die Nähe von Terroristen gerückt hat.
Mit seinen Äußerungen über ihr „verdorbenes Blut“, das man einem Labortest unterziehen lassen solle, hat er auch noch tief in den Kübel einer völkisch-rassistischen Rhetorik gegriffen. Erdoğan schielt damit nach dem rechten Rand. Dort erhofft er sich, jene Mehrheit zu beschaffen, die er für den Umbau zu einem Präsidialsystem braucht.
Leider wirkt sich diese verbale Eskalation auch hierzulande aus. Die Morddrohungen und Schmähungen gegen Grünen-Chef Cem Özdemir und andere Politiker, die sich für die Resolution starkgemacht haben, sind nur das sichtbarste Zeichen dafür, wie sehr die Debatte aus dem Ruder gelaufen ist. Özdemir hat recht, wenn er von einer „türkischen Pegida“ spricht, die sich vor allem im Netz artikuliert.
Es ist gut, dass sich die Türkische Gemeinde in Deutschland von Erdoğans Entgleisungen scharf distanziert hat. Dagegen haben andere Verbände – darunter Ditib, Milli Görüs und die Türkische Gemeinde in Berlin – wenig getan, um die Wogen zu glätten.
Der neuerliche Anschlag in Istanbul zeigt, wie angespannt die Lage in der Türkei ist. Die Konflikte dort drohen auf Deutschland überzuspringen. Leider reagieren auch auf kurdischer Seite in Deutschland nicht alle ruhig und besonnen, sondern profilieren sich als Scharfmacher.
Wichtiger, als die Hetze des türkischen Präsidenten zurückzuweisen, wäre es deshalb, alle Seiten an ihre gemeinsame Verantwortung für den gesellschaftlichen Frieden hierzulande zu erinnern. Denn von den Spannungen zwischen verschiedenen Einwanderergruppen profitieren am Ende nur die Rechtspopulisten von der AfD.
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