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Champions League Der VfL Wolfsburg war Olympique Lyon fast 90 Minuten lang unterlegen, spielte eine große Verlängerung und verlor tragisch im ElfmeterschießenDie Nutzlosigkeit des Zurückkämpfens

Das war’s: Alexandra Popp und Kolleginnen nehmen den Sieg Lyons zur Kenntnis Foto: Maestri/dpa

aus Reggio Emilia Johannes Kopp

In ganz seltenen Fällen beginnt die Geschichte eines Fußballspiels erst, wenn es eigentlich schon vorbei sein sollte. So wie an diesem unfassbaren Donnerstagabend im Stadio Città de Tricolore von Reggio Emilia: Drei Minuten vor dem regulären Ende sah der VfL Wolfsburg wie der verdiente – nicht wie der tragische – Verlierer dieses Champions-League-Finales aus.

Eindruck hinterlassen hatten bis dahin nur der Gastgeber aus Italien und die zu diesem Zeitpunkt führende Mannschaft von Olympique Lyon: Nach dem frühen Führungstreffer durch Ada Hegerberg (12.) dominierten und kontrollierten die Lyone­rinnen die Partie. Und vor dem Spiel waren neun Flugzeuge der italienischen Luftwaffe über das Stadion gedonnert, um den Himmel in den Nationalfarben zu markieren.

Völlig blass und farblos blieb nur der VfL Wolfsburg. Bis kurz vor Ende der 90 Minuten war diesem Team erschreckend wenig eingefallen, wie man sich dem gegnerischen Tor nähern könnte. Und wahrscheinlich wäre hernach auch allen anderen wenig eingefallen, was man über dieses so chancenlose Ensemble aus Deutschland denn überhaupt sagen soll – wenn nicht Alexandra Popp in der 88. Minute den Ball per Kopf ins Tor gewuchtet hätte.

Popps Ausgleich war der Beginn einer völlig neuen Partie. „Spätestens mit dem 1:1 haben wir ein ganz offenes Spiel gesehen“, befand Wolfsburgs Trainer Ralf Kellermann, nachdem sein Team letztlich – und tragisch – im Elfmeterschießen unterlegen war.

Spät, aber binnen kürzester Zeit hatten sich die Wolfsburgerinnen in der Verlängerung viel Respekt und insbesondere die Sympathien des sehr jugendlichen italienischen Publikums verschafft. Rund um Reggio Emilia hatten die Veranstalter offenbar die Schulpflichtigen mit Eintrittskarten versorgt, die auf den zweiten Blick ihre Liebe zum so aufopferungsvoll kämpfenden Außenseiter aus Niedersachsen entdeckten.

Im Nachhinein lieferte dieser Treffer von Popp eine sinnstiftende Folie, vor der das gesamte Spiel ganz neu gelesen werden konnte. Die Torschützin selbst sagte: „Ich glaube, wir haben ein richtig gutes Spiel gezeigt. Wir haben das, was wir vorhatten – erst einmal kompakt zu stehen –, richtig gut gemacht.“ Das frühe Gegentor, das die eigenen Pläne empfindlich gestört hatte, wurde plötzlich zur Nebensächlichkeit. Torhüterin Almuth Schult behauptete: „Ich habe immer daran geglaubt, weil ich weiß, dass wir nur eine Chance brauchen.“

Popps Tor hatte auch den zart gewachsenen Mythos wieder zum Leben erweckt, dass die Wolfsburgerinnen sich durch nichts entmutigen lassen – zumal sie bei fünf Finalteilnahmen immer als Siegerinnen vom Platz gingen. Schult wählte die Außenperspektive, um das Geschehene angemessen zu würdigen: „Unglaublich, wie dieser VfL Wolfsburg immer zurückkommt.“

Popps Ausgleichstreffer lieferte eine Folie, vor der das gesamte Spiel neu gelesen werden konnte

Unglaublich war aber auch, dass der VfL diese Partie doch noch verlor. Psychologisch schien das Team eindeutig im Vorteil zu sein. Während nach dem Schlusspfiff der regulären Spielzeit die Ersatzspielerinnen des VfL wie aufgekratzt aufs Feld eilten, um ihre Kolleginnen mit Trinkflaschen zu versorgen, standen die Fußballerinnen von Lyon vereinzelt herum und blickten ins Leere. Sie hatten mit dem Schock des späten Ausgleichs zu kämpfen und, nachdem sie sich halbwegs davon erholt hatten, gerieten auch noch im Elfmeterschießen nach einem Fehlversuch ins Hintertreffen. Doch die Wolfsburgerinnen Nilla Fischer und Elise Bussaglia schienen vom teaminternen Aufwind nicht beflügelt zu sein. Sie versagten beide am Elfmeterpunkt.

Nun war es Torhüterin Almuth Schult, die stellvertretend für ihre Kolleginnen zum Ausdruck brachte, „eine gewisse Leere“ zu empfinden. Dennoch schwang in allen Statements der Unterlegenen jede Menge Stolz mit. Und das hat mit dem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein dieses Vereins zu tun, über eine besondere Mentalität auch Gegnerinnen mit einer größeren Qualität wie Lyon schlagen zu können.

Es ist schon eine besondere Kunst, wie dieser Klub, der dank Hilfe des VW-Konzerns vergleichsweise viel Geld für den Frauenfußball in die Hand nimmt, zugleich ganz klein und ganz groß wirken kann. „Für uns ist es wichtig zu sehen, dass sich die Mannschaft in der europäischen Spitze bewegen kann“, erklärte Geschäftsführer Thomas Röttgermann in Reggio Emilia. Seit fünf Jahren zeige der VfL, dass er zu den allerbesten Teams gehört. Das Duell gegen Lyon hatten die Klubverantwortlichen im Vorfeld zum David-Goliath-Duell stilisiert und zugleich mit dem Nimbus ihrer Unbesiegbarkeit in Endspielen kokettiert.

„Diese Niederlage ist eine neue Erfahrung, die uns für die nächste Saison helfen wird“, erklärte der marketingerfahrene Röttgermann unmittelbar nach Spielende. Er versteht es wie kaum ein anderer, alles ins Positive zu wenden. Man wolle im Kern an diesem Team, das diese unglaubliche Einstellung an den Tag legt, in den nächsten Jahren festhalten. Und sicherlich wird man auch darauf achten, dass das Team an spielerischer Reife gewinnt.

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