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Die Salonlöwinnen

GLAMOUR Wie Pariser Salonnières, New Yorker Millionärinnen und andere Ehrgeizige feierten

Geschichten um exzentrische Wahnsinnige, die ihr Geld bereitwillig für „My Fair Lady“-Kostüme und Martini-Oliven ausgeben, wohnt der Grusel des Unerhörten inne

VON JENNI ZYLKA

Das muss eine ganz schöne Sause gewesen sein: Während der Gastgeber friedlich bekifft auf dem Wohnzimmerboden dämmerte, knutschte die Gastgeberin auf der Treppe mit Montgomery Clift. Der ja eigentlich schwul war. Aber vermutlich einfach gern und gut küsste.

Adele Mailer, die Exfrau des Schriftstellers und passionierten Boxers Norman Mailer, dessen Roman „Die Nackten und die Toten“ zu den Schlüsselwerken der US-amerikanischen Literatur zählt, hatte in ihrem Leben einiges weggefeiert, bevor sie sich 1962 schließlich von ihrem gewalttätigen Ehemann trennte und ihre Erlebnisse mit dem Zechen und dem Streiten 1997 in einer Biografie veröffentlichte.

Mailer, die, inzwischen 87-jährig, als Malerin in Manhattan lebt, ist keine typische Gesellschaftsdame: Sie trank zu viel, scherte sich zu wenig um Konventionen und war weder reiche Erbin noch scharf auf den Einlass in die High Society des New York der 50er. In Claudia Lanfranconis Buch „Legendäre Gastgeberinnen und ihre Feste“ über die internationale weibliche Party-Elite der letzten 150 Jahre, das soeben im Elisabeth Sandmann Verlag erschien, hat sie eine Sonderstellung inne.

Denn die meisten der für das Buch ausgewählten Damen versuchten, so scheint es, mit ihren Partys vor allem, sich Prestige zu erfeiern: „Ihr Entree in die höchsten Gefilde der New Yorker Gesellschaft erkauften sich Alva Vanderbilt und ihr Gatte William K. mit einem Maskenball, der alle Feste in den Schatten stellte, die in Amerika bisher gefeiert worden waren“, schreibt Lanfranconi und beziffert die Kosten, die das legendäre Fest 1888 verbrannte, auf – nach heutigen Maßstäben umgerechnet – rund 3 Millionen Dollar. Wie viel genau davon die „Dresden-China-Quadrille“ verschlang, bei der Tänzer in Meissner-Porzellan-Kostümen inklusive gepuderter Perücken umeinanderhüpften, ist nicht mehr berechenbar. Aber es muss schon dekadenter wahnsinniger gesellschaftlicher Ehrgeiz, gepaart mit einer aus dem Gelde stammenden selbstverständlichen Prunksucht, gewesen sein, die viele dieser leidenschaftlichen Salonlöwinnen umtrieb.

Extravagant waren sie, schreibt Lanfranconi, erzählt von Luisa Casatis Kostüm aus durchsichtigen Schleiern und druckt ein Bild der mit dem Platinlöffel im Mund geborenen Marchesa ab, auf dem sie in einem um 1920 von Paul Poiret entworfenen Springbrunnenkostüm zu sehen ist: Statt Wasserfontänen fließen dicke Perlenketten an der flamboyanten Millionärin hinab, und auf ihrem Kopf gehen die Kaskaden mindestens noch zwei Stockwerke höher. Über Diane Vreeland, die für Harper’s Bazaar und Vogue tätig war, und die als Inneneinrichterin arbeitende Dorothy Draper geht es weiter bis zu Jackie Kennedy, Marianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein und Berlins Profi-Partyveranstalterin Isa Gräfin von Hardenberg.

Das liest sich wunderbar, denn Geschichten um exzentrische Wahnsinnige, die ihr Geld bereitwillig für „My Fair Lady“-Kostüme und Martini-Oliven ausgeben, während woanders im Winter nicht mal geheizt werden kann, wohnt der Grusel des Unerhörten inne. Aber man hätte der Party-Anthologie ein wenig mehr Kritik und weniger simple Bewunderung gewünscht, wenn etwa die permanente Frauenfeindlichkeit der Gesellschaften, bei denen selbstverständlich ausschließlich die geladenen Männer als „wichtig“ galten, der Autorin keine Zeile wert ist. Sogar zu Hause beim Pärchen Alice B. Toklas und Gertrude Stein durfte sich die Mutter aller Butch-Lesben Stein „mit den schöpferisch tätigen Männern“ unterhalten, während Alice „den Ehefrauen die Küche zeigte“, so Lanfranconi völlig ironiefrei. Und dabei servierten die beiden nicht mal Alkohol. Welche vernünftige Frau will denn dahin?!

Das Thema Drogen wird, trotz einiger Hinweise auf Exzesse und vielen Beschreibungen der Lieblingsrezepte, eh ein wenig ausgeklammert, obwohl es elementar ist: Besteht, so müsste man doch fragen, das beste Partyerlebnis eines Lebens nicht entweder im extremen Sichgehenlassen oder im extremen Flirten, im besten Falle in beidem zusammen? Und kann insofern nicht völlig egal sein, ob ein als Tischherr vielleicht total langweiliger und introvertierter Literat neben einem sitzt? Der nur eingeladen wurde, weil die Gästeliste sich weiland auf Prestige, Namen und Stellung auf der Hühnerleiter stützte?

Die Partys, auf die man nach Lanfranconis Buch am liebsten gegangen wäre, sind jedenfalls die von den Frauen, die sich schon bei der Beschreibung vom Erste-Familien-Dünkel absetzten: Elsa Maxwell etwa, die zunächst jahrelang als Pianistin tingelte, bis sie als Kolumnistin und Salondame bekannt wurde, oder die große mexikanische Malerin Frida Kahlo, die sogar noch im Krankenbett mit ihren Gästen trank und sang.

Sie selbst, erzählt die Autorin des Buches später im Interview, wäre am liebsten zu Marie-Hélène de Rothschilds Mottofest „Surrealistische Köpfe“ gegangen. Und sie wolle mit ihrer Sammlung das private Partyveranstalten wieder flottmachen, das im Zuge der allgemeinen Zeitlosigkeit ein wenig nachgelassen habe. Elsa Maxwells Weisheit, „Alles Geld der Welt macht keine gute Party“, wird allerdings in dem Buch nicht wirklich untermauert; dafür beschränkt sich die Auswahl zu sehr auf die chronisch gelangweilten oberen Zehntausend und negiert jeglichen Bierpyramidenspaß im Abrisshaus. Doch ein paar dufte Tipps für die nächste schlecht frequentierte, aber heiß geliebte Karnevalsparty im verkleidungsfaulen Berlin kann man sich auf jeden Fall ziehen.

Claudia Lanfranconi: „Legendäre Gastgeberinnen und ihre Feste“. E. Sandmann Verlag,

München 2012,

144 S., 29,95 Euro

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