Kommentar Prämie für Elektroautos: Belohnung für Dieselgate
Die Regierung bedient die Autoindustrie. Sie gibt ihr saftige Subventionen gegen die Angst, den anderen mit toxischen VWs hinterherzudieseln.
J ahrelang hat die Bundesregierung der Versuchung widerstanden, das Elektroauto mit einer Kaufprämie anschieben zu wollen. Das Projekt erschien aussichtslos, zu groß waren die Probleme der Branche mit ihren kleinen Reichweiten und großen Preisen, mit fehlenden Ladestationen und ohne den Mut, die Autos wirklich kleiner und leichter zu machen.
Stattdessen erinnerten die Batteriefahrzeuge an die Anfänge des Elektroautos Ende des 19. Jahrhunderts, als die Automobiljournalisten bereits erkannten: „Leider ist die Capazität der Elemente eine sehr geringe, die Batterien liefern trotz eines großen Volumens und Gewichts nur sehr wenig und bloß für kurze Zeit elektrischen Strom. Auch sind die Kosten dafür sehr hoch.“
Das Elektroauto des 21. Jahrhunderts war bisher nicht mehr als ein grüner Strohmann. Die PS-Industrie produzierte zu 99 Prozent fossile Benziner und Dieselfahrzeuge, stellte die Stromer aber als glitzernde Wunschmaschinen der automobilen Erneuerung ins Rampenlicht. Nahezu null Absatz, aber schicke Kisten für die Automobilsalons. Und der sanft schnurrende Beweis der Zukunftsfähigkeit. Der fehlende Erfolg erschien dann immer als Versagen der Autokäufer, die einfach zu knauserig sind. Und als Fehler von Schäuble, der keine Prämie rausrückt.
Inzwischen hat sich die Stimmung etwas gedreht. Die Markterfolge des US-Autobauers Tesla und der chinesischen Marke BYD haben den typisch deutschen Angstimpuls ausgelöst, abgehängt zu werden. Die anderen fahren elektrisch voraus, wir dieseln mit unseren toxischen VWs hinterher. Die deutsche Neurose des Anschlussverlierens wird vor allem von den Medien befördert. Die übersehen, wenn sie die Tesla-Verkaufszahlen verbreiten, dass die US-Firma auf einem riesigen Schuldenberg sitzt und ihre Autos eher ein Spielzeug für Reiche sind, als ein vernünftiges Fortbewegungsmittel.
Dass Elektroautos nur dann Umwelt und Klima helfen, wenn ihr Strom komplett aus Erneuerbaren Energien kommt und nicht aus Braunkohle. Dass zukunftsfähige Elektrofahrzeuge nicht die üblichen Großpanzer und Rennautos sein können, die lediglich einen neuen Antrieb bekommen.
Jetzt also doch: eine saftige Subvention für die Autoindustrie. Der es ja auch richtig schlecht geht, weil sie von den Umweltbrigaden übler Machenschaften überführt wurde. Dass die Zunft ausgerechnet zu einem Zeitpunkt Kaufprämien als Belohnung hinterhergeworfen bekommt, an dem sie wie eine kriminelle Vereinigung dasteht, die jahrelang, vorsätzlich und in großem Stil Kunden, Behörden und Öffentlichkeit betrogen und Umwelt und Klima ausgeräuchert hat, das ist die große Pointe in diesem Spiel. Die Bundesregierung bestätigt mit dem Prämien-Vorhaben alte Vorurteile: dass sie nur der Bettvorleger der Autokonzerne ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene